Gelbwesten bei Hofmannsthal: Das gibt es derzeit in Melk.

Foto: Nime Zimmerhackl

Statt einer Tribüne weitläufig unter dem Zelt verteilte Stühle. Statt eines Stücks deren sechs. Statt mehrerer Wochen Probenzeit gerade einmal fünf Tage. Und statt eines großen Ensembles nur vier Schauspieler: Nachdem das ursprünglich geplante Stück, Die zehn Gebote, den strengen Corona-Auflagen zum Opfer gefallen ist, haben sich die Sommerspiele Melk auf ein (für ein Sommertheater) mehr als ungewöhnliches Format eingelassen. Sechs zumeist jüngere Regisseure erarbeiten gemeinsam mit einigen wenigen Schauspielern in sechs Wochen sechs mit einer Länge von einer Stunde beschränkte Aufführungen. Mit Hugo von Hofmannsthals selten gespieltem Mysterienspiel Das Salzburger große Welttheater ging es in der Regie vom Hausherrn Alexander Hauer Freitagabend los. Nach der Frauenvolksversammlung kommende Woche und dem König Ubu in der darauf folgenden wird Hauer in drei Wochen ein Nestroy-Potpourri inszenieren.

Allegorisches Spiel

Zum Anfang aber griff man durchaus symbolschwanger auf jenes Stück zurück, mit dem vor genau 60 Jahren die Sommerspiele Melk in der Regie von Helene Thiemig ihren Einstand feierten, der 1922 uraufgeführten Nachdichtung Hofmannsthals von Calderons Das große Welttheater. Entworfen für die Salzburger Festspiele, deren erklärtes Ziel es war, "europäische Kunst auf dem Boden österreichisch-katholischer Tradition" zu feiern, zeichnet sich das allegorische Spiel für heutige Zuschauer durch eine kaum erträgliche Frömmelei aus.

Da tritt ein Schöpfer auf den Plan, die "Welt" zu beauftragen, die Rollen des Lebens zu verteilen. Als da wären: der König und der Bauer, der Bettler und die Schönheit und noch einige mehr. Glücklicherweise hat man in Melk aber alles Beiwerk weggelassen und auch sonst gehörig in den Stoff eingegriffen. Statt des Glaubens an Gott wird der Zweifel an den Mächtigen zelebriert. Ihre Kleidung ziehen die vier Schauspieler (Dagmar Bernhard, Kajetan Dick, Florian S. Fitz und Sebastian Pass) aus Ikea-Taschen, die Bühne ist ein Laufsteg, drei Musiker begleiten das konzentrierte Spiel.

Halb Skizze, halb Stellprobe nimmt die Aufführung durch ihre Nonchalance ein. Natürlich kommt dabei einiges zu kurz. Was allerdings schwerer wiegt, ist der unbedingte Wille, die Welt des Theaters aufleben zu lassen – allen Widrigkeiten zum Trotz.

(Stephan Hilpold, 13.7.2020)