Gabriele Schwarz, Klubobmann-Stellvertreterin der ÖVP, will im Sicherheitsrat klären, wie Wirecard und deren Ex-Chefs in die heimische Politik gespielt haben.

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Wien – Die Insolvenz des Zahlungsabwicklers Wirecard wird immer mehr zum heimischen Politikum. Das liegt vor allem an den Ex-Wirecard-Managern Markus Braun und Jan Marsalek. Braun hatte 2017 der ÖVP 70.000 Euro gespendet und den Neos von 2014 bis 2016 in Summe 125.000 Euro. Im Wahlkampf 2017 trat er auch gemeinsam mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf. Braun wurde später Mitglied von "Think Austria", jenem Gremium, das Kurz berät.

Marsalek soll hingegen die FPÖ – allen voran Ex-Parteivize Johann Gudenus – mit Informationen aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) versorgt haben. Das hat eine Auswertung von Gudenus' Handy ergeben, das im Rahmen der Ibiza-Ermittlungen beschlagnahmt wurde.

Schlagabtausch zwischen FPÖ und ÖVP.
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FPÖ macht den Auftakt

Am Montag kam es dann zum politischen Schlagabtausch. Den Auftakt machte die FPÖ mit dem Ibiza-U-Ausschuss-Fraktionsführer Christian Hafenecker. Titel: "Der schwarze Faden zwischen ÖVP und Wirecard". Diesen ortet Hafenecker in den jahrelangen intensiven Beziehungen zwischen Wirecard-Manager Braun und der ÖVP. Man habe vonseiten der ÖVP in den vergangenen Wochen immer wieder versucht, Nebelgranaten zu werfen und die FPÖ darin zu verwickeln.

Danach zählte Hafenecker aber im Wesentlichen jene Details auf, die ohnehin bereits bekannt sind:

  • Neben der Verbindung Brauns Richtung ÖVP nannte Hafenecker Florian Stermann als wichtigen Verbindungsmann, der ja – wie berichtet – auch mit Erst Strasser (Ex-ÖVP-Innenminister) schon eine gemeinsame Firma hatte. Stermann ist ein Freund von Gudenus, Finanzreferent der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft und Anteilseigner mehrerer Firmen.

  • Im Mai 2017 gab es einen ersten gemeinsamen Auftritt von Kurz und Braun bei einer Veranstaltung, auf der Kurz über Visionen für Österreich sprach. Damals gab es erste Spenden von Braun an die ÖVP. Auch die Verbindung zu Antonella Mei-Pochtler, die den Thinktank leitet, wurde von Hafenecker nochmals betont. Mit diesem Background sei es gelungen, Kurz zu stützen. Kritisch sei das, weil es bereits seit 2017 Meldungen gegeben habe, dass es bei Wirecard Probleme gebe. Dennoch habe man Braun als Experten in den Thinktank geholt. Auch 2020 sei Braun noch an Bord gewesen. Erst im Juni 2020 habe sich Braun aus Think Austria zurückgezogen, erst seither distanziere sich Kurz von Braun.

  • Mit Susanne Steidl brachte Hafenecker eine weitere Person ins Spiel. Sie ist bei Wirecard Chief Product Officer und soll bei einer Veranstaltung der Industriellenvereinigung gesprochen haben.

  • Stefan Klestil, Sohn des verstorbenen Ex-Präsidenten Thomas Klestil (von der ÖVP nominiert), sitzt im Wirecard-Aufsichtsrat.

  • Jan Marsalek soll ein "spektakuläres Doppelleben" (Hafenecker) geführt haben. Er prahlte mit Geheimdienstinformationen und soll in Libyen eine Miliz mit 15.000 Soldaten rekrutieren haben wollen.

Hafenecker fragte in der Pressekonferenz, wie all das habe möglich sein können, und erwähnte auch, dass Wirecard einst die Zahlungsfähigkeit von Pornoseitenanbietern geprüft habe. Er erwähnte zwei weitere Personen, deren Rolle zu beleuchten sei: Michael Kloibmüller – er arbeitete für mehrere ÖVP-Innenminister, zuletzt Wolfgang Sobotka – und Christoph Ulmer, der unter Ernst Strasser Kabinettschef war. Somit ist laut Hafenecker auch Sobotkas Rolle im Ibiza-U-Ausschuss erneut zu hinterfragen. Beide – Kloibmüller und Ulmer – sitzen laut Hafenecker noch in der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft. Laut deren Website ist lediglich Ulmer derzeit noch Präsidiumsmitglied.

Welche Infos hatte Marsalek?

Welche Infos hatte Marsalek bekommen, und woher? Immer wieder ist von Geheimberichten zu lesen. Zudem soll er die Geheimformel für das Nervengift Nowitschock gehabt haben. Für Hafenecker beweist das "einmal mehr, dass es in der Kurz-Truppe nicht um das Wohl für Österreich geht, sondern um eigene Vorteile".

Erst die Pleite, dann gleich mehrere Verbindungen in die heimische Politik: Wirecard sorgt für Aufregung in Österreich und der Welt.
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Dringend zu klären gilt es, wie Marsalek zu diesen Informationen gekommen ist. Hat er dafür bezahlt? Eine Sachverhaltsdarstellung der FPÖ wird nun bei der WKStA eingebracht. Die Verdachtslage laut Hafenecker: Amtsmissbrauch, Bestechlichkeit, Verletzung des Amtsgeheimnisses. Zu prüfen sei auch, ob durch den Zusammenbruch von Wirecard der Republik ein Schaden entstanden sei. Man werde diesbezügliche Anfragen stellen und wolle auch klären, ob und unter welchen Umständen Wirecard zu Aufträgen gekommen ist. Braun soll in den U-Ausschuss eingeladen werden, damit er aufklärt, wie Wirecard und Braun über seine Tätigkeiten im Thinktank und in das ÖVP-Netzwerk involviert gewesen seien.

Dass Marsalek ein Informant der FPÖ gewesen sein soll, wollte Hafenecker freilich nicht bestätigen oder kommentieren. Man werde das prüfen, hieß es. Er betonte mehrmals, dass der "Jan", der in den Ermittlungsunterlagen zum Ibiza-U-Ausschuss vorkommt, nicht als Jan Marsalek bestätigt sei. Es seien lediglich Recherchen der "Presse", die zu diesem Schluss kämen.

ÖVP legt nach

Unmittelbar nach der FPÖ startete die ÖVP ihre Pressekonferenz mit dem Titel "Kickl, Kunasek und die FPÖ im Sumpf um Söldner und die Gefährdung der Sicherheit Österreichs". Die türkise Klubobmann-Stellvertreterin Gabriele Schwarz sagte dabei, dass das Vertrauen in das BVT erst durch die Hausdurchsuchung und nicht bereits im Vorfeld erschüttert worden sei.

In den vergangenen Tagen sei die Causa Marsalek in den unterschiedlichsten Aspekten aufgetaucht, so Schwarz. Es gehe um die Weitergabe geheimer Informationen aus dem BVT und darum, dass Marsalek angeblich eine Miliz mit 15.000 Soldaten aufstellen wollte. Dazu gab es laut Schwarz auch einen Termin im Innenministerium. Dass Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ, von Dezember 2017 bis Mai 2019 im Amt) davon jetzt nichts mehr wissen wolle, hält Schwarz für beachtlich. Auch den Konnex mit Russland müsse man sich noch einmal genau anschauen. Denn man wisse, dass die Verbindungen der FPÖ zu Russland immer gut gewesen seien. Es gehe hier um Österreichs Sicherheit und Neutralität, daher habe man dazu den Nationalen Sicherheitsrat einberufen, der innerhalb von 14 Tagen zusammenkommen müsse.

Ex-Wirecard-Chef Braun sei bei drei Sitzungen des ÖVP-Thinktanks gewesen. Schwarz bestätigte auch die Spenden und Auftritte Brauns in der Politik – er soll auch im Umfeld der SPÖ aufgetreten sein. Braun habe sich eben mit vielen Menschen vernetzt.

Braun auch für SPÖ ein ÖVP-Mann

Für die Sozialdemokraten sind die wechselseitigen Schuldzuweisungen der ehemaligen Koalitionspartner bloß Theater. Zu meinen, der Großspender und Berater von Kanzler Sebastian Kurz sei kein ÖVP-Mann, sei "lachthaft", sagte SPÖ-Geschäftsführer Christian Deutsch per Aussendung über Braun. sieht ÖVP und FPÖ gleichermaßen involviert.

Schaden für Österreich

Rund um Marsalek wird indes eine weitere Verbindung zur österreichischen Geschäftswelt bekannt. Marsalek soll mehrfach behauptet haben, Miteigentümer der Libyan Cement Company (LCC) zu sein. Fünf unterschiedliche Quellen in Österreich, Deutschland, Libyen und Russland hätten das bestätigt, berichtet die "Financial Times". 2015 wurde die LCC von der in London ansässigen Libya Holding Group gekauft. Davor war die Zementfabrik im Besitz des österreichischen Mischkonzerns Asamer.

Aus Dokumenten des Münchner Beratungsunternehmens Wieselhuber & Partner, die für Asamer gearbeitet hatten, soll laut "Financial Times" hervorgehen, dass Marsalek mit 20 Millionen Euro von einem Schuldenverzicht Österreichs gegenüber LCC profitiert haben soll. Das Geld soll "der österreichische Staat", also die auf Außenhandelsfinanzierungen spezialisierte Oesterreichische Kontrollbank (OeKB), im Jahr 2017 als Darlehen für LCC gewährt habe. Das Geld sei an den Österreicher Marsalek ausgezahlt worden, heißt es.

"Abschreibung wegen Uneinbringlichkeit"

Eine "Abschreibung wegen Uneinbringlichkeit" im Ausmaß von 20,768 Mio. Euro für Libyen scheint auch tatsächlich im Kontrollbank-Jahresbericht für das Jahr 2017 (Seite 24 ) auf. Die Kontrollbank bestätigte einen Schadensfall in Libyen in dieser Höhe, ohne jedoch einen Namen zu nennen. Nähere Angaben dürfe man wegen dem Bankgeheimnis nicht machen, heißt es. Dementiert wurde jedoch, dass der Ex-Wirecard-Vorstand durch den Schuldverzicht der Republik die von der "Financial Times" genannte Summe von 20 Mio. Euro erhalten hat. "Der Bund bzw. die OeKB haben keine derartigen Zahlungen vorgenommen", hieß es in einem Statement der OeKB zur APA.

Marsalek soll zum letzten Mal am 18. Juni am Hauptsitz von Wirecard gesehen worden sein. Seither fehlt von ihm jede Spur. Er wird per internationalem Haftbefehl gesucht. (Bettina Pfluger, 13.7.2020)