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Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zwischen lauter Flaggen. Am Montag trafen sich die EU-Außenminister in Brüssel

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Brüssel/Ankara – Die EU-Außenminister sind am Montag zu ihrem ersten Treffen in Brüssel seit Beginn der Corona-Krise zusammengekommen. Wichtigstes Thema seien die Beziehungen zur Türkei, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Das Verhältnis zu dem EU-Beitrittskandidaten sei derzeit "nicht besonders gut". Es gehe darum, wie die EU weiter vorgehen solle.

Mit Ankara gibt es eine Reihe von Konflikten: Sie reichen von den als illegal eingestuften Öl- und Gasbohrungen vor Zypern und Griechenland bis zur umstrittenen Rolle des Landes in den Konflikten in Syrien und Libyen. Gleichzeitig sieht die EU die Türkei als wichtigen Partner in der Migrationspolitik und unterstützt das Land mit Milliardenzahlungen bei der Versorgung von Millionen Flüchtlingen aus Syrien.

Zum ersten Mal seit langem treffen einander die EU-Außenminister wieder persönlich. In Brüssel wird es dabei nicht nur um die Konflikte mit der Türkei gehen, sondern auch darum, wie die EU auf das neue Sicherheitsgesetz in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong reagieren soll.
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"Falsche Richtung"

Die Beziehungen zur Türkei hätten sich "in die falsche Richtung entwickelt", sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Es sei "sehr schlimm", dass Ankara Menschenrechtsaktivisten "als Terroristen bekämpft" und im Mittelmeer versuche, hegemoniale Interessen entgegen internationalem Recht durchzusetzen. Die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee sei zudem "ein Schlag gegen die Allianz der Zivilisationen" und entferne die Türkei weiter von Europa.

Grundkurs Altgriechisch: "Hagia" heißt heilig, "Sophia" heißt Weisheit. Die Hagia Sophia in Istanbul wurde im 6. Jahrhundert erbaut. Die byzantinische Kirche wurde im 15. Jahrhundert zur Moschee, ab 1935 war sie ein Museum. Nun ist sie wieder eine Moschee.
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Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sieht in der Umwidmung der Hagia Sophia "ein jüngstes Glied einer Kette von Provokationen". In Hinblick auf die Entwicklungen in Libyen und im Nordirak betonte er: "Die Türkei ist einfach kein verlässlicher Partner Europas."

Die EU müsse gegenüber der Türkei "eine Politik mit starker Kante" und "klarer Sprache führen (...) auf einem soliden Wertefundament", sagte Schallenberg. Erneut forderte er den Abbruch der Beitrittsverhandlungen: "Auch hier sollte die Europäische Union einen klaren Schnitt ziehen und sagen, das ist alles nicht mehr zulässig und richtig." Die EU hatte 2005 Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufgenommen. Infolge der Massenverhaftung von Regierungskritikern nach dem Putschversuch von 2016 wurden sie aber auf Eis gelegt.

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Österreichs Außenminister konferierte am Montag mit seinen europäischen Kollegen in Brüssel.
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Kein Beschluss erwartet

Dass es bei diesem Treffen der EU-Außenminister zu einem Beschluss kommen wird, glaubt Schallenberg zwar nicht. Wenn man sich allerdings die türkische Politik unter anderem in Libyen und Syrien sowie die Umwidmung der Hagia Sofia anschaue, sollte das "uns in Europa schon zum Umdenken bewegen".

Für einen härteren Kurs gegenüber der Türkei setzen sich vor allem Griechenland, Zypern, Frankreich und Österreich ein. Zwischen Österreich und der Türkei kam es zuletzt zu einem diplomatischen Schlagabtausch. Der Grund waren gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen kurdischen und linken Demonstranten einerseits mit türkisch-ultranationalistischen und rechtsextremen Gegendemonstranten andererseits. In Wien gab es Verletzte, Festnahmen und Sachschäden.

Auch die Beziehungen zu Lateinamerika standen auf der Tagesordnung. Spaniens Außenministerin Arancha González Laya sind diese ein besonderes Anliegen.

Hongkong auf der Tagesordnung

Neben der Türkei sollen bei dem Treffen auch die Lage in Hongkong sowie der Serbien-Kosovo-Konflikt besprochen werden. Hier sei es wichtig "dass wir eine gemeinsame Sprache finden, eine gemeinsame Position", betonte Schallenberg. "Wir sind hier alle, glaube ich, der Meinung", dass das chinesische Sicherheitsgesetz eine "massive Unterminierung" der Unabhängigkeit oder Autonomie Hongkongs sei. Der Außenminister glaubt, durch eine "gemeinsame Sprache" auf Augenhöhe mit China umgehen zu können.

Optimistisch zeigte sich Schallenberg über den jüngst wiederaufgenommenen Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo. Jedes Gespräch zwischen den beiden Staaten sei notwendig. Der Dialog sei quasi "das Nadelöhr, durch das die ganze Region gehen muss, wenn wir wollen, dass hier die EU-Annäherung erfolgreich sein soll".

Dem kroatischen Außenminister ist die Situation auf dem Westbalkan ein Anliegen.

Die Präsidentenwahl in Polen wollte Schallenberg nicht kommentieren. Was ihn aber "sehr wohl mit Sorge erfüllt", sei, mit regionalen und lokalen Maßnahmen LGBTI-freie Zonen zu schaffen: "Das ist eines europäischen Staates im 21. Jahrhundert einfach unwürdig, und ich erwarte mir, dass das schnellstmöglich wieder aufgehoben wird." (APA, AFP, 13.7.2020)