Nordmazedonien steckt mitten in der Pandemie, seit Anfang Juni steigen die Zahlen massiv. Trotzdem wird am Mittwoch das Parlament mit 120 Mandataren gewählt.

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In der Josip-Broz-Tito-Schule in Skopje werden Wahlen geübt, die den Gesundheitsvorschriften während der Pandemie entsprechen. Es geht darum sicherzustellen, dass bei der Parlamentswahl am Mittwoch alle, die zur Urne kommen, die nötigen Abstände einhalten und Desinfektionen vorgenommen werden. Eigentlich hätten die Mazedonier bereits im April ein neues Parlament wählen sollen, dies wurde aber wegen der Pandemie verschoben.

Obwohl Nordmazedonien mitten in der Krise steckt – zuletzt wurden täglich mehr als 120 Neuinfektionen gemeldet –, wollte man nun nicht länger warten. Denn das Parlament wurde bereits im Februar aufgelöst, das Land, das am 27. März als 30. Mitglied in die Nato aufgenommen wurde, steht wieder einmal am Scheideweg.

Die Bürger können nun entscheiden, ob sie mit den Sozialdemokraten (SDMS) unter Zoran Zaev, die mit der Albanerpartei Besa ein Wahlbündnis eingegangen sind, für eine Modernisierung des Landes stimmen – oder aber die nationalkonservative VMRO-DPMNE wählen, die am ehesten mit Viktor Orbáns Fidesz zu vergleichen ist und in erster Linie Identitätspolitik betreibt.

Sozialdemokraten-Chef Zaev möchte wieder Premier werden.
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Entscheidend wird sein, ob die Albanerpartei DUI zur Königsmacherin werden kann. Erhält sie ausreichend Stimmen, könnte sie eine Fortsetzung der Regierung der Sozialdemokraten, die seit 2017 an der Macht sind, verhindern und mit der VMRO koalieren. Die DUI war die vergangenen 18 Jahre an der Macht und versucht nun mit dem Slogan "Warum nicht?" dafür zu werben, dass erstmals ein Albaner, nämlich ihr Kandidat Naser Ziberi, Premierminister wird.

Verhandlungen mit der EU

Die SDSM wiederum setzt darauf, mit einem anderen Wahlbündnis der Albaner (Allianz für die Albaner und Alternative) an der Macht zu bleiben. Etwa ein Viertel der Bevölkerung in Nordmazedonien sind Albaner. Sie haben unter der SDSM-Regierung weiterreichende Rechte erhalten. Das Prespa-Abkommen mit Griechenland aus Jahr 2018 ermöglichte zudem das Ende des Namensstreits und die Anerkennung des Staates unter dem neuen Namen Nordmazedonien. Damit war auch der Weg in die Nato frei, ab Herbst wird zudem mit der EU verhandelt.

Die VMRO unter Hristijan Mickoski, die gegen das Abkommen mit Griechenland war, will dieses zwar nun nicht gefährden, doch die Partei hat sich seit dem Abgang von Nikola Gruevski, der für ein System von Amtsmissbrauch und Korruption stand, nicht reformiert. Gruevski hat sich wegen einer anzutretenden Haftstrafe zu seinem Freund Orbán nach Ungarn abgesetzt.

Griechenland könnte zudem bei einer Rückkehr der nationalistischen VMRO an die Macht jeden weiteren Schritt Richtung EU blockieren. Umfragen zufolge dürfte das Rennen zwischen den beiden Blöcken sehr knapp werden.

Wahlbeteiligung wichtig

Entscheidend wird sein, wie viele Leute zur Wahl gehen werden. Sind es weniger als die Hälfte, schmälert das die Legitimität des Urnengangs. Die Hälfte der Bürger haben kein gutes Gefühl dabei, dass die Wahl während der Pandemie stattfindet.

Erstmals rangiert das Thema Gesundheit – vor allem wegen der maroden Versorgung in dem Land mit zwei Millionen Einwohnern – ganz oben. Für viele Bürger sind die Abhängigkeit von Parteien, um einen Job zu bekommen, und die Korruption ein Riesenthema. Gerade deswegen ist auch die Enttäuschung über das Ende der Sonderstaatsanwaltschaft groß, die mithilfe der EU und der USA im Jahr 2015 etabliert worden war. Diese sollte erstmals wieder so etwas wie Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz von der Politik ermöglichen. Doch weil die oberste Staatsanwältin Katica Janeva selbst Amtsmissbrauch beging – sie wurde kürzlich zu sieben Jahren Haft verurteilt –, gilt das Projekt als gescheitert.

Enttäuschung über Justiz

Die Sonderstaatsanwaltschaft ist mittlerweile Geschichte. Dabei war es genau diese Institution, die den Sozialdemokraten Glaubwürdigkeit und Zustimmung bei den Wählern verschafft hatte und den Machtwechsel ermöglichte. Es wurden zwar einige Prozesse geführt – etwa gegen Gruevski –, doch viele Korruptionsfälle bleiben unaufgeklärt. Die EU fordert seit langem, dass die Einführung von Rechtsstaatlichkeit in den Kandidatenländern prioritär sein muss. Nordmazedonien war neben Albanien bisher das einzige Land, das es zumindest versuchte. Entscheidend wird sein, dass die nächste Regierung den Versuch wiederaufnimmt. (Adelheid Wölfl, 14.7.2020)