Die Präsidentenwahl in Polen ist geschlagen: Gewonnen hat mit 51 Prozent der Stimmen der Amtsinhaber Andrzej Duda. Schon am Sonntagabend feierte der Nationalpopulist einen "großartigen Sieg", obwohl der zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht feststand. Denn sein Herausforderer, der liberale Warschauer Oberbürgermeister Rafał Trzaskowski, hatte eine furiose Aufholjagd hingelegt und hätte Duda durchaus schlagen können.

Doch am Montag, als alle Stimmen ausgezählt waren und die staatliche Wahlkommission das Endergebnis bekanntgab, war der Traum vom Einzug ins Belvedere, das Präsidentenpalais, ausgeträumt. Mit rund 49 Prozent der Stimmen erreichte Trzaskowski immerhin ein überaus respektables Ergebnis. Die Beteiligung lag bei rund 68,2 Prozent.

Für weitere fünf Jahre heißt Polens Präsident Andrzej Duda.
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Viele Warschauer und Warschauerinnen sind in ihren Gefühlen hin- und hergerissen. Einerseits hätten die meisten von ihnen Trzaskowski zwar gerne als Präsidenten gesehen, andererseits sind sie nun auch froh, dass er ihnen als Oberbürgermeister erhalten bleibt. Die PiS-Hetzkampagne gegen ihn im Staatssender TVP hatte – zumindest in Warschau – genau den gegenteiligen Effekt. Die tolerante und kosmopolitische Stadt lässt nun auf "ihren" Oberbürgermeister erst recht nichts mehr kommen.

Bald neuer Parteichef?

Möglicherweise wird der 48-jährige Shootingstar künftig die Führungsrolle in seiner Partei übernehmen und frischen Wind in die liberal-konservative Bürgerplattform (PO) bringen. Denn ohne Mut zu neuen Ideen und eine stärkere Einbindung von bisher vernachlässigten Gruppen wird die einst so dynamische Bürgerplattform auch die nächsten Wahlen in drei Jahren verlieren.

Andrzej Duda wiederum, der alte und neue Präsident, steht nun vor einer Richtungsentscheidung: Will er so weitermachen wie bisher und den "Kugelschreiber" für Jarosław Kaczyński abgeben, den mächtigen Chef der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS)? Oder will er als Staatsmann in die Geschichte Polens eingehen, der auch eine wichtige Rolle in der EU und der Weltpolitik spielt? Viel Zeit bleibt ihm nicht. Denn nach den nächsten fünf Jahren kann er nicht wiedergewählt werden und wird dann entweder sein Dasein als Politrentner fristen oder aber irgendwo in der Weltpolitik ein Wörtchen mitreden.

In Rafał Trzaskowski hätte Duda fast seinen Bezwinger gefunden.
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Doch sollte er eine internationale Karriere planen, müsste er sich beizeiten von seinem politischen Ziehvater emanzipieren und dürfte nicht mehr unbesehen alle PiS-Gesetze unterschreiben. Der für Duda so peinliche Spitzname "długopis" – Kugelschreiber – ist auch ein Wortspiel, in dem das Parteikürzel PiS vorkommt. Zwar hat Duda schon vor fünf Jahren sein Parteibuch zurückgegeben, doch seine aktuelle Hetzkampagne hätte er ohne die durch Polen tourenden PiS-Politiker, die PiS-Millionen und die PiS-TV-Sendungen nie gewinnen können.

Abhängigkeitsverhältnis

Natürlich ist es für Duda demütigend, als Staatspräsident vor aller Augen nur ein Kuli zu sein. Doch für jemanden, der seine gesamte politische Laufbahn nur einem Mann zu verdanken hat, eben Kaczyński, wird es schwer sein, sich aus dieser Abhängigkeit zu befreien. Zumal inzwischen schon Rufe aus dem Ausland laut werden, Duda solle künftig für die Einhaltung europäischer Werte und Normen in Polen eintreten und insbesondere für mehr Rechtsstaatlichkeit in seinem Land sorgen.

Doch ein EU- oder schlimmer noch "Deutschen-Büttel" will Duda auf gar keinen Fall sein. Da setzt er schon eher auf US-Präsident Donald Trump, der ihn wenige Tage vor dem ersten Wahlgang am 28. Juni noch ins Weiße Haus einlud und ihm so wertvolle Wahlkampfhilfe leistete. Und setzt sich nicht auch Trump immer wieder über geltendes Recht hinweg? Für Duda ist das Ausdruck einer starken und souveränen Politik.

Halbherzige Ankündigung

Da Duda sich keinerlei Mühe gibt, ein "Präsident aller Polen" zu sein, könnten sich bis zu den nächsten Parlamentswahlen in drei Jahren die gesellschaftlichen Proteste verstärken. Zwar bot Duda noch in der Wahlnacht seinem Rivalen Trzaskowski einen versöhnenden Händedruck an, doch ohne sich zuvor für all die Beleidigungen Trzaskowskis und dessen Millionen Wählerinnen und Wähler zu entschuldigen. Die Spaltung der polnischen Gesellschaft wird Duda so nicht überwinden. (Gabriele Lesser aus Warschau, 13.7.2020)