Duda ist der Mann der Entzweiung, der bisher stets die Spaltung gesucht hat.

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Wahre Sieger sehen anders aus. Zwar konnte sich Polens nationalkonservativer Staatspräsident Andrzej Duda eine weitere Amtszeit sichern – doch seinen Kontrahenten, den Liberalen Rafał Trzaskowski, konnte er kaum auf Distanz halten. Duda hat nach der Stichwahl vom Sonntag de facto das halbe Land gegen sich – so viel wie noch nie. Was also tun, die Versöhnung suchen? Wohl kaum, denn Duda ist der Mann der Entzweiung, er hat bisher stets die Spaltung gesucht. Zu tief sind die Gräben, die in Polen in den vergangenen Jahren zwischen den Lagern entstanden sind. Und Duda hat da fleißig mitgegraben, um die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler auf seine Seite zu bringen und dort zu halten.

Also ist damit zu rechnen, dass der autoritär anmutende Kurs des Landes fortgesetzt wird – eine Perspektive, die gut der Hälfte der polnischen Bevölkerung und auch der übergroßen Mehrheit der Partner in der Europäischen Union nicht nur Unbehagen, sondern große Sorgen bereitet. Wird die bedenkliche Institutionenreform fortgesetzt? Entfernt sich das Land noch weiter von seinen demokratischen Errungenschaften der drei Jahrzehnte seit dem Fall des Eisernen Vorhangs? Wäre die EU nicht schon seit Monaten, teilweise seit Jahren, mit Megaproblemen wie Brexit, Corona-Pandemie und Weltwirtschaftskrise konfrontiert, dann hätte sie sich wohl schon intensiver mit der Entwicklung in Polen auseinandergesetzt.

Und doch: Gerade mit diesem äußerst knappen Sieg stünde es Duda – vor allem aber dem starken Mann hinter den Kulissen, Jarosław Kaczyński – gut an, eine Kurskorrektur vorzunehmen, auf die Opposition zuzugehen. Denn diese Kräfte haben sich in nie dagewesener Effizienz gebündelt und zu verstehen gegeben, dass der bisherige konfrontative Regierungskurs kaum noch mehrheitsfähig ist. Und ihr Widerstand dagegen wird wohl eher wachsen als abnehmen, sollte alles so weitergehen wie bisher. Außerdem wäre es klug, in solchen Krisenzeiten den Schulterschluss zu suchen, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten – nicht nur im Kampf gegen die vielen negativen Folgen der Corona-Krise.

Nun, das wäre das gute Szenario. Das schlechte wäre, würde Kaczyńskis Apparat tatsächlich – wie viele befürchten – jetzt noch härter als bisher durchgreifen, um die nun endgültig schwindende Macht abzusichern. Denn die Feinde dieses Systems sind viele. Sie sind laut, und sie haben am Sonntag mehr als deutlich aufgezeigt. (Gianluca Wallisch, 13.7.2020)