Der chemische Verfall nagt an allem, ob es lebt oder nicht. Wiener Forscher verwenden Marker chemischer Prozesse nun als "molekulare Uhr" und haben diese bei Baumstämmen geeicht, um das Alter von Holz mit archäologischem oder historischem Hintergrund zu bestimmen. Die Methode sei sollte auch bei altem Stroh, Papier und Pergament funktionieren, schreiben die Wissenschafter im Fachjournal "Scientific Reports".

Derzeit gibt es zur Datierung von Holz zwei bewährte Methoden: Die Jahrringanalyse, bei der die Abfolge der Jahrringbreiten eines Baumes mit bestehenden Chronologien verglichen wird, und die Radiokarbonmethode, auch C14-Datierung genannt. Dabei wird der Zerfall des radioaktiven Kohlenstoffisotops C14 für die Altersbestimmung verwendet.

Verräterische Seitenketten

Die Zeiger der nun vorgestellten "molekularen Uhr" sind hingegen die chemischen Seitenketten des "Hemizellulose"-Kitts, der Holzstoff und Zellstoff verbindet, erklärte Johannes Tintner-Olifiers vom Institut für Physik und Materialwissenschaften der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien. Während der harte Holzstoff für die Druckfestigkeit sorgt und der papierene Zellstoff Zugfestigkeit hat, ist die Hemizellulose dazwischen wie ein Ästelwerk. Sie wird vor allem durch Sauerstoff und Wasserstoff-Ionen (Protonen) angegriffen und ihre Seitenketten brechen mit der Zeit immer mehr ab. "Mithilfe von Infrarotspektroskopie kann man ihren Zustand schnell und unkompliziert bestimmen", so Tintner-Olifiers.

Die Forscher haben bei bis zu 7.500 Jahre altem Kiefernholz aus mehreren europäischen Ländern die Anteile der Hemizellulose und die Mengen ihrer Seitenketten bestimmt. Weil sie das Alter dieser Stücke schon kannten, konnten sie dadurch die molekulare Uhr des chemischen Holzverfalls justieren. Damit ist es nun möglich, die Herkunftszeit etwa von Holzbalken in Bauwerken, prähistorischen Siedlungsresten und Baumstämmen in Seen zu datieren. "Diese Methode dürfte auch für andere organische Materialien funktionieren", so Tintner-Olifiers. "Der Startschuss für weitere Forschungen ist getan." (red, APA, 14.7.2020)