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Im Winter rinnen die Nasen der Kinder. Je nach Einrichtung wird es derzeit unterschiedlich gehandhabt, ob die Kinder dann zu Hause bleiben müssen.

Foto: Getty Images/filadendron

Großes Aufatmen herrschte bei den Eltern, als die Kindergärten Mitte Mai nach mehreren Wochen wieder den Normalbetrieb aufnahmen. Gerade für berufstätige Mamas und Papas war der Spagat zwischen Job und Kinderbetreuung jeden Tag eine neue Herausforderung.

Die Freude über die Öffnung währte bei manchen aber nicht lange, denn nun sollen Kleinkinder mit nur leichten Erkältungssymptomen den Einrichtungen fernbleiben. "Mein Kind war die letzten eineinhalb Wochen nicht im Kiga, weil die Nase rinnt", sagt Christina Eder aus Wien. Dabei sei das bei ihrer Vierjährigen, die mit einer Gaumenspalte geboren wurde, Normalität. Ansonsten ist ihr Kind fit und wach, zeige keinerlei Krankheitssymptome. Im Kindergarten seien nur völlig gesunde Kinder erwünscht. Für die 40-jährige Krankenschwester bedeutet das, dass sie nach einem Nachtdienst auf der Intensivstation nicht schlafen gehen kann, sondern 36 Stunden durchmachen muss, um das Kind zu betreuen.

Dass die Nerven bei vielen Eltern blank liegen, weiß auch Verena Radinger-Peer. Die Wienerin hat vor einer Woche die Petition "Familien in der Krise" und eine gleichnamige Facebook-Gruppe ins Leben gerufen. Seither erhält sie laufend Nachrichten von vorwiegend verzweifelten Müttern, die ihre Situation schildern: "Als Frau ist man sowieso schon beruflich benachteiligt, die Corona-Krise hat das alles noch weiter verschärft. Viele Mütter fürchten nun schon, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, weil sie weder Pflegetage noch Urlaub übrig haben. Wenn nun Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen die Wahl zwischen Eltern und Nichteltern haben, werden sie es sich doppelt und dreifach überlegen, wem sie den Job geben. Ausfälle kann sich in Zeiten wie diesen keiner mehr leisten", sagt Radinger-Peer.

Mit der Petition fordert sie deswegen schnellere Testergebnisse bei Verdachtsfällen in Kindergärten und eine Betreuungslösung für Kinder, die zu Hause bleiben müssen. Momentan warten Eltern drei bis vier Tage auf die Ergebnisse. Zudem gibt Radinger-Peer zu bedenken, dass viele Eltern gar nicht mehr die Nummer 1450 wählen möchten, weil bei einem Verdachtsfall sofort die gesamte Einrichtung geschlossen wird. Zu groß sei das schlechte Gewissen, "dass sie dann schuld sind, wenn die anderen Kinder auch daheim bleiben müssen". Das sei natürlich völlig kontraproduktiv, aber nach dem Vorgehen der Gesundheitsbehörden auch niemandem zu verdenken.

Eine andere Mutter berichtet, dass beim zweiten Verdachtsfall im Kindergarten ihres Sohnes drei bis vier Tage Warten auf das Testergebnis beruflich einfach nicht mehr möglich waren. Lieber bezahlte sie einen Test aus ihrer eigenen Tasche, um binnen weniger Stunden ein Ergebnis zu erhalten. Dieses fiel negativ aus, ihr Kind wurde dennoch vom Kindergarten abgelehnt.

Problem im Herbst

Experten bestätigen, dass eine Rotznase kein sicheres Symptom für eine Corona-Infektion ist. Hinsichtlich dessen, dass nach monatelanger Isolation Kleinkinder wieder in Gruppen aufeinandertreffen, war ohnehin programmiert, dass Infekte nachgeholt werden. Dennoch verlangen Kindergartenbetreiber immer öfter "Gesundschreibungen", in denen der Kinderarzt oder die Kinderärztin attestiert, dass das Kind betreuungstauglich ist.

Viele Eltern fürchten sich nun vor dem Herbst, wenn jedes zweite Kind schnupft oder hustet. Sie fordern nachvollziehbare und transparente Strategien, wie man mit Erkältungen umgehen wird. Auf Nachfrage heißt es, dass man bei den städtischen Kindergärten gemeinsam mit Experten bereits an einem neuen Konzept für die kalte Jahreszeit arbeitet, "um auf die möglichen kommenden Herausforderungen bestens vorbereitet" zu sein. Dabei würde aber Schnupfen allein laut Definition nicht als Symptom für Covid-19 geführt.

Warum Rotznasen derzeit dennoch als gefährlich eingestuft werden? "Weil es in der Verantwortung der Betreiber und Betreiberinnen des Kindergartens vor Ort liegt zu entscheiden, ob die Definition eines Covid-19-Verdachtsfalls vorliegt – egal ob es sich um eine städtische oder um eine private Einrichtung handelt", heißt es aus dem Krisenstab der Stadt Wien. Ein möglicher Ansatz ist, bei Kindern die Grippeimpfung zu forcieren, die helfen soll, die Symptome geringzuhalten. (Nadja Kupsa, 14.7.2020)