Berlin – Der deutsche Finanzexperte Christian Müller hat erschrocken und mit ungewöhnlich heftiger Kritik auf die Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofs (Cas) zum Europacup-Startrecht für Manchester City reagiert. "Ich bin wirklich fassungslos und total enttäuscht. Es ist eine Katastrophe, das Waterloo für die Sportregelwerke", sagte der frühere Finanzchef der Deutschen Fußball-Liga der "ARD Radio Recherche Sport" vom Montag.

Manchester City darf nun doch an der Champions League teilnehmen.
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"Einschüchterungsversuche"

"Eine Strafe von zehn Millionen Euro ist einfach eine Lachnummer, das hätte man sich auch sparen können", betonte Müller, der einst wesentlichen Anteil an der Ausarbeitung der Financial-Fairplay-Regeln der Uefa hatte. Er hat nach eigener Aussage "aus dem Hause der Uefa oder des europäischen Fußballs in Nyon" gehört, dass ein "unglaublich hoher Druck aufgebaut wurde von Manchester City und dass die Anwälte wirklich bis an die Zähne bewaffnet aggressiv aufgetreten sind". Es hätten Einschüchterungsversuche stattgefunden, sagte der 56-Jährige.

Antoine Duval, Experte für Europäisches und Internationales Sportrecht am Asser-Institut in Den Haag, sieht das Cas-Urteil ebenfalls sehr kritisch. "Als Image bleibt hängen: Große Klubs, die sich teure Anwälte und kreative Wirtschaftsprüfer leisten können, kommen viel besser mit den Financial-Fairplay-Regeln zurecht als mittlere und kleinere Klubs, die sich diese Anwälte und Buchhalter nicht leisten können", meinte Duval. Das Financial Fairplay scheine "tot oder im Koma zu sein".

Sperre aufgehoben

Dass Manchester City in den kommenden zwei Saisonen doch in der Champions League spielen darf, hatte der Cas am Montag entschieden. Die Richter hoben eine entsprechende Sperre der Uefa auf. Diese hatte den Verein Mitte Februar wegen mehrerer Verstöße gegen die Finanzregeln hart sanktioniert. Dagegen waren die Citizens vor den Cas gezogen. Die zusätzliche Geldstrafe in Höhe von 30 Millionen Euro wurde auf zehn Millionen reduziert und blieb letztlich die einzige Strafe für den englischen Vizemeister. (APA, 14.7.2020)

Pressestimmen zum Urteil

GROSSBRITANNIEN:

BBC: "Ein aufrechterhaltenes Zweijahresverbot wäre verheerend gewesen für die Finanzen des Klubs, seine Chancen, die besten Spieler halten zu können, und – allem voran – seinen Ruf. (...) Die Glaubwürdigkeit des Financial Fairplay (FFP) liegt in Trümmern. Denn wie kann das FFP überleben, nachdem einer der reichsten Klubs der Welt – der der Behinderung einer Uefa-Untersuchung für schuldig befunden wurde, ein Klub, der 2014 des Regelbruchs für schuldig befunden wurde – mit einer Geldstrafe von nur zehn Millionen Euro davongekommen ist? (...) Viele werden sich fragen, welche Art von Abschreckung das für andere Klubs, insbesondere für Klubs mit solchen finanziellen Mitteln, darstellt."

"Daily Mail": "Sie sind einem europäischen Bann entkommen – aber das ist kein moralischer Sieg."

"Times": "Manchester City ist nicht freigesprochen – die Uefa hat es schlimm vermasselt."

SPANIEN:

"El Mundo": "Der Freispruch für Manchester City bringt vergleichbare Delikte wieder auf den Tisch und stellt das aktuelle Modell des europäischen Fußballs infrage."

DEUTSCHLAND:

"Süddeutsche Zeitung": "Überfordert in Schlüsselfragen. Dass der Sportgerichtshof Cas auch umstrittene Urteile fällt, liegt in der Natur der Sache. Nicht so selbstverständlich ist, dass dies oft Urteile zugunsten systemrelevanter Betroffener sind. Im Falle des mit einer obszön sprudelnden Petrodollar-Quelle gesegneten Superklubs Manchester City gegen die Fairplay-Hüter der Europäischen Fußball-Union haben die Sportrichter entschieden, dass all die gut dokumentierten Hinweise auf Verschleierungen, Tricksereien, Absprachen nichts wert sind."

"Bild": "Blamage für die Uefa. Die erste Reaktion auf die Aufhebung der Champions-League-Sperre für Man City dürfte weltweit ähnlich ausfallen: "RIESEN-SKANDAL! Ist doch offensichtlich, dass die mit den Scheich-Millionen tricksen! Da wird wieder vor den Reichen und Mächtigen gekuscht. Als Fan fühlt man sich für dumm verkauft. Und das Financial Fairplay erweckt den Eindruck, nur eine Alibi-Veranstaltung zu sein, ohne ernsthafte Konsequenzen für die Top-Klubs."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Zahnlose Uefa. Wenn die Finanzregeln nicht effektiv durchgesetzt werden können, sind sie auch nicht anwendbar."

ITALIEN

"Gazzetta dello Sport": "Manchester City hat vor Gericht das größte Spiel des Jahres gewonnen. (...) Dieses Urteil bedeutet eine politische Niederlage für die Uefa und das Financial Fairplay."