Ob mir das nicht zu denken gebe, fragten danach ein paar Leute. Sie meinten es gut. Und die juckend-brennende Pletschen an meiner rechten Schulter sah auch weder fein aus, noch fühlte sie sich so an: ein Wespenstich halt. Ob es mir das wert sei, fragten sie – und H. schrieb klipp und klar, was er dachte: "Ein Grund mehr, nicht ins Wasser zu gehen." Freiwasser-Wasser meinte er wohl. Ich widersprach: "Bledsinn. Mit e. An so was stirbt man nicht. Und wenn mich der Stich einer Wasserbiene für immer aus dem Wasser jagt, darf ich mich nie wieder aufs Rad setzen – da erwischt man auch mal eine Wespe oder eine Biene. Das kann sogar im Gastgarten passieren: Im Freien ist mit Natur zu rechnen. Und das ist gut so."

Foto: Tom Rottenberg

Klar: Natürlich ist es nicht angenehm, wenn man beim Schwimmen plötzlich einen brennenden Schmerz an der Schulter spürt und keine Ahnung hat, was gerade passiert ist. Und natürlich ist es super unangenehm, wenn der rote Punkt über Nacht aufgeht und richtig unangenehm wird. Wenn man weder Fenistil noch irgendwas Ähnliches daheim hat – und sich eben zwei Tage lang eine Zwiebel an die Schulter tackert: Schaut bescheuert aus – und ist olfaktorisch auch, äh, "interessant".

Aber wie gesagt: An so was stirbt man nicht. Abgesehen davon war die Sache ja lehrreich. Ich hatte zuvor nie von "Wasserbiene", "Wasserwanze" und "Rückenschwimmer" gehört.

Foto: Tom Rottenberg

Was genau passiert war? Eigentlich eh nix: Nach dem "Backwaterman"-Marathon hatte ich die Pausetaste gedrückt: zwei Tage gar nix. Körper, Kopf und Arbeitsvolumen verlangten es – obwohl ein bisserl Bewegung eigentlich schlauer gewesen wäre. Erst am Mittwoch radelte ich dann kurz schwimmen. "Blödmannschwimmen", wie es der Coach nennt: ohne Plan oder Zeitvorgabe, langsam und gemütlich. Die immer noch schweren Arme und müden Schultern durchspülen. Schwimmen und Radfahren sind – abgesehen von Blackroll, Yoga & Co – so ziemlich das Beste, was man sich und seinem Körper nach so einem Stunt gönnen kann. (Ja, Eis & Schokolade natürlich eh auch).

Foto: Bernhard Noll

Natürlich hätte ich auch in den Pool gehen können: Indoor ist jetzt so gut wie gar nix los. Und auch draußen, zwischen Querdümplern und Nur-ja-nicht-die-Haare-nass-mach-Köpfchen-in-der-Höh-Pensionistinnen wäre es … Nein, geht doch nicht: Das wäre Suhlen – aber nicht Schwimmen.

Foto: Markus Mauritz

Also Freiwasser. Das ist immer schöner, lustiger und feiner – und in Wien ja auch in Hülle und Fülle verfügbar. Mein Spielplatz: die Neue Donau. Meistens auf Höhe des Kaisermühlenparkplatzes in der Nähe des SUP-Verleihs – oder gegenüber: Beim SUP-Verleih gibt es ein paar Spinde – gegenüber findet man immer irgendeine Kleinfamilie oder Gruppe, die aussieht, als würde sie nicht sofort mit meinen Schuhen und meinem Uralthandy durchbrennen.

Foto: Tom Rottenberg

Ich kenne Leute, die nicht in die Neue oder Alte Donau oder andere offen Gewässer gehen. Wegen der Algen. Manche wegen der Steine. Einige wegen der Schwäne. Letzteres kann ich, nachdem mich einmal einer von schräg hinten überraschte, weil er glaubte, ich käme seinen Jungen zu nahe, nachvollziehen: Die Viecher sind ziemlich groß und reichlich aggressiv – und man kann sie nicht einmal essen. Aber: Sie sind hier zu Hause. So wie die diversen Zwergfische, die mitunter kurz probieren, ob der Fuß, der da zwischen "ihren" Algen steht, eventuell doch nach was schmeckt: Tut er nicht – aber das Panikgebrüll, das man da manchmal hört, klingt nicht nach Nano-Zwickerbussi, sondern nach veritabler Haiattacke: Da wurde jetzt mindestens der Oberschenkel abgetrennt. Eh lustig.

Foto: Tom Rottenberg

Das Wasser ist längst warm genug, um ohne Neopren zu schwimmen. Kurz sowieso. Aber auch länger. Irgendwann wird es dann aber doch frisch. Außerdem war ich faul und müde – und wollte doch ein kleines bisserl Auftrieb, zumindest im Kopf. Also schwamm ich mit meinem Tri-Einteiler. Der ist eng, ziemlich aero-, also auch halbwegs aquadynamisch – und verbessert meine ziemlich miserable Wasserlage immerhin ein bisserl. Jedenfalls bilde ich mir das ein – und nur das zählt. (Mehr über dieses Teil aus Dänemark demnächst).

Was ich im Freiwasser immer dabeihabe: die Safety-Buoy. Nicht weil ich im Wasser unsicher oder ängstlich bin. Gesehen zu werden ist im Wasser – mittlerweile sind sogar Kiter hier unterwegs – kein Fehler. Außerdem hat die Boje eine kleine, halbwegs trockene Transporttasche – und sie ist ein bequemer Kopfpolster, wenn man draußen einfach dümpeln will. Und weil ich jedes Mal gefragt werde: Die meisten Schwimm- und manche Sportgeschäfte haben sie. Vorher besser anrufen. (Ich habe zwei: eine größere von Head und eine kleinere, mit Trillerpfeife, von Colting, die mir mein Kumpel Ed überlassen hat.)

Foto: Tom Rottenberg

Die Schwimmerei tat gut. Das tut sie immer. Vorne, 200 Meter flussaufwärts, hüpfte die Boje einer Dreiergruppe durchs Wasser. Einer schwamm Brust – und ich schloss langsam, ganz langsam auf.

Beim nie verwendeten Amphitheater neben dem Kaisermühlensteg spielten ein paar Triathleten "Wechselzonentraining" – ich glaube, es waren die "Sportsmonkeys" (über die – vor allem ihre Kindertrainings – gibt es demnächst hier auch mehr): Als eine Monkey-Gruppe an mir vorbeirauschte, merkte ich, wie müde und langsam ich wirklich war.

Ein Blick auf die Uhr: 750 Meter in echtem Treibholztempo – Zeit umzudrehen.

Foto: Tom Rottenberg

Plötzlich machte es "Zing". Ziemlich in der Mitte der Rinne. Ein schmerzhafter Stich in der rechten Schulter unter Wasser war. Krampf? Muskelfasereinriss? Nein, das fühlt sich ganz anders an. Schlangenbiss? Auch nicht: In der Neuen Donau sieht man manchmal schöne kleine Wasserschlangen – aber davon, dass die irgendwen beißen, habe ich noch nie gehört. Und so weit draußen ist mir noch keine begegnet: Die sieht man höchstens in Ufernähe. Vor allem: Man sieht sie. Ich schaute zur Schulter: Da steckte irgendwas. Ein ganz kleiner Ast oder Dorn mit gelblichem Einsprengsel. Seltsam – aber außer dem kleinen Stich egal. Ich wischte das Ding mit der Hand weg – und hatte es vergessen, als ich an Land ging. Der kleine roten Punkt an der Schulter konnte wirklich von einer Dorne stammen: wurscht.

Foto: Tom Rottenberg

Am Abend kam dann das Brennen. In der Nacht schwoll der Stich an. In der Früh war die Schulter hart. Seit etwa einem Jahr reagiere ich genau so auf Insektenstiche – aber: welches Insekt? Für Fragen zu Flora & Fauna habe ich einen Ansprechpartner: Peter Iwaniewicz, den "Tierflüsterer" des "Falter". Der Biologe gratulierte mir zu meinem "Treffer" – denn oft kollidiere man nicht mit Wasserbienen. Schon gar nicht in der Stadt. Wasser-was? "Wasserbienen. Oder Wasserwanzen. Spannende Tiere. Räuberische Insekten, die im Wasser leben." Sekunden später hatte ich einen Link – und wusste, dass das Tier, mit dem ich da allem Anschein zusammengestoßen war, ganz korrekt Gemeiner Rückenschwimmer heißt. Wie passend.

Die Bilder in den Links, die Iwaniewicz mir geschickt hatte, passten zu dem kleinen Dornendings, das ich aus dem Augenwinkel im Wasser kurz gesehen hatte. Zumindest glaube ich das. Ich habe ja nicht wirklich genau geschaut, sondern sofort weggewischt.

Dass nicht endgültig nachgewiesen ist, ob der Rückenschwimmer überhaupt stark genug stechen kann, um in die menschliche Haut einzudringen, lasse ich einfach mal so stehen – auch wenn ich alle Symptome eines Wespenstiches hatte, kann es natürlich auch sein, dass das Gift außen und nicht in/unter der Haut wirkte. Oder war es doch ein anderer Wasserbewohner?

Foto: Getty Images/iStockphoto

Was ich aber sofort glaube: Für meinen "Gegner" war und bin ich der weit gefährlichere Kontrahent – egal ob dieser eine die Kollision mit mir überlebt hat oder nicht: Angeblich sind drei von sechs in unseren Breiten heimischen Rückenschwimmer-Arten mittlerweile bedroht. Nicht durch Schwimmer in der Neuen Donau – aber doch vor allem durch den Menschen: Den Tieren geht die Natur aus. Natürlich könnte man daraus schlussfolgern, dass alle, die sagen, dass man nicht ins offene Wasser soll, deshalb recht haben.

Oder aber man sieht das anders. So wie ich: Dieses "Draußen" – egal ob beim Laufen, Schwimmen, Radfahren oder Wandern – ist nicht nur ein fantastischer Spielplatz, sondern auch ein Ort, an dem man jedes Mal etwas Neues erleben, entdecken, lernen kann. Das ist spannend und wunderschön.

Foto: Tom Rottenberg

Vor allem aber lehrt es Respekt und Rücksicht: "Draußen" ist "Shared Space": Egal ob man beim Traillaufen Feuersalamander trifft, am Rad in der Früh mit jagenden Vogelschwärmen in den Sonnenaufgang die Donau entlangfliegt oder im Auwald Reiher, Rehe und – ganz selten – sogar Bieber sieht.

Sich da hin und wieder einen Stich einzufangen ist lästig. Aber allein das Wissen, dass es einen Gemeinen Rückenschwimmer gibt, ist das bisserl Jucken und Brennen allemal wert. (Tom Rottenberg, 15.7.2020)

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