Mehr als 80 Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass in Zukunft die Anzahl der regelmäßigen Remote Worker wie auch das durchschnittliche Ausmaß von Homeoffice höher sein wird.

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Quasi von einem Tag auf den anderen wechselten viele Unternehmen im März aufgrund der Corona-Pandemie vom Büro ins Homeoffice. Zwar erlaubten 94 Prozent der österreichischen Unternehmen bereits davor ihren Angestellten Remote Work, aber nur knapp jeder zweite Beschäftigte nutzte das Angebot. Während des Lockdowns arbeitete zumindest die Hälfte der Belegschaft in 90 Prozent der Unternehmen von zu Hause aus, in knapp 60 Prozent der Firmen waren nahezu alle im Homeoffice. Nur zwei Prozent der Unternehmen blieben nur im Büro. Das ergab die am Donnerstag erschienene Flexible-Working-Studie von Deloitte, Uni Wien und Uni Graz, die dem STANDARD vorliegt. Dafür wurden 300 Unternehmensvertreterinnen und -vertreter aus Mitarbeitenden- und Führungsebene, Personalabteilungen sowie Vorstand und Geschäftsführung befragt.

Die Sorgen, etwa bezüglich IT-Sicherheit, Produktivitäts- und Kontrollverlust oder fehlender Kenntnisse, die in vielen Firmen in den vergangenen Jahren die Entwicklung von Homeoffice-Strukturen gehemmt haben, waren mit der Corona-Pandemie notgedrungen Vergangenheit oder wurden hinterfragt oder nachgebessert. Die technischen Voraussetzungen fürs Homeoffice waren laut der Studie in 82 Prozent der Unternehmen "sofort oder innerhalb weniger Tage" geschaffen – normalerweise nehmen solche Prozesse viel Zeit in Anspruch. Unternehmen, in denen Homeoffice bereits zuvor viel genutzt wurde, waren in der Umstellung signifikant schneller.

Bemerkenswert sei, so die Studienautoren, dass sich die Arbeitenden Konferenz-Tools wie Microsoft Teams, Zoom oder Skype "schnell und durchwegs gut" aneigneten, obwohl nur die Hälfte der Unternehmen Qualifizierungsmaßnahmen fürs Homeoffice gesetzt hatten. "Führungskräfte und Teams mussten rasch ihre Arbeitsweise umstellen und neue Tools anwenden. 84 Prozent der Befragten nutzen nun mehr digitale Kommunikationskanäle als zuvor. Virtuelle Meetings richtig einzusetzen und sie effektiv sowie effizient zu gestalten will aber gelernt sein – hier besteht häufig noch Unterstützungsbedarf ", sagt Barbara Kellner, Studienautorin und Managerin bei Deloitte, in einer Aussendung.

Schlechte Ergonomie am Küchentisch

Während die technische Ausstattung im Homeoffice häufig sehr gut sei, entsprächen 20 bis 30 Prozent der Heimarbeitsplätze nicht den ergonomischen Standards, ergab eine in der Studie zitierte Befragung der Uni Wien. Doch nicht nur das: Untersuchungen zeigen – wie kürzlich die "New York Times" berichtete –, dass Frauen etwa in Videokonferenzen seltener zu Wort kommen und Benachteiligungen erfahren würden. Sie seien auch häufiger unzufrieden mit der Homeoffice-Situation als Männer, legt eine Befragung im Auftrag der Arbeiterkammer Wien nahe. Und Frauen seien häufiger Doppelbelastungen ausgesetzt, wie etwa mit Hausarbeit oder Kinderbetreuung und Homeschooling, zeigen Untersuchungen der Wirtschaftsuni Wien.

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Untersuchungen zeigen, dass Frauen im Homeoffice benachteiligt werden – nicht nur bei der zusätzlich aufzuwendenden Zeit für Homeschooling und Hausarbeit, sondern auch in Videokonferenzen.
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Eine bereits viel diskutierte weitere Folge der Heimarbeit – das Steigen der Produktivität – ist auch ein Ergebnis der Flexible-Working-Studie: Knapp 80 Prozent der Befragten geben an, dass konzentriertes Arbeiten im Homeoffice besser möglich sei als im Büro. Das liegt daran, dass gerade Großraumbüros oft nicht die nötige Ruhe bieten, um konzentriert arbeiten zu können. Dafür leidet die Arbeit am Schreibtisch zu Hause an der fehlenden Zusammenarbeit und Kommunikation mit Kolleginnen und Kollegen in Person. Gerade wenn es um gruppendynamische Prozesse, aktive Diskussionen oder kreatives Erarbeiten gehe, seien physische Meetings klar im Vorteil, so die Studienautoren.

Das Grundverständnis darüber, ob Besprechungen tatsächlich physisch stattfinden müssen, habe sich laut der Flexible-Working-Studie seit der Krise ebenfalls verändert. Rund 86 Prozent der Unternehmen wägten nun kritisch ab, welche Meetings physisch oder virtuell abgehalten werden.

Diese Antworten legen bereits nahe, was die Studienautoren aus den Ergebnissen schließen: Es brauche Spielregeln, damit mobiles Arbeiten reibungslos funktioniert. Es müsse klar kommuniziert werden, welche Erwartungen man an die Erreichbarkeit habe, welche Aufgaben sich besonders gut im Homeoffice und welche sich besser im Büro erledigen ließen. Laut Christian Korunka, Arbeitspsychologe an der Uni Wien und Autor der Studie, sollten Unternehmen "verstärkt auf Vertrauen und Ergebnisorientierung" setzen, um mobiles Arbeiten langfristig zu etablieren.

Künftig mehr Homeoffice

Wie wird sich das Homeoffice also künftig in das Arbeiten nach der Corona-Zeit eingliedern? Laut mehr als 80 Prozent der befragten Unternehmensvertretern werden in Zukunft sowohl die Anzahl der regelmäßigen Remote Worker als auch das durchschnittliche Ausmaß von Homeoffice höher sein. Acht von zehn sind davon überzeugt, dass auch jene Mitarbeitenden verstärkt von daheim aus arbeiten werden, bei denen das aufgrund ihrer Aufgaben bislang undenkbar gewesen sei.

Auch wenn das entgrenzte Arbeiten im Verlauf der Corona-Krise einen Boom erlebt, arbeitet in Österreich bei weitem nicht die Mehrheit so: Laut der Covid-19 Prävalenzstudie der Statistik Austria war im April, zu Lockdown-Zeiten, österreichweit ein Drittel der Beschäftigten im Homeoffice. Während fast drei Viertel jener mit Hochschulabschluss – vielfach Wissensarbeitende – zu Hause arbeiteten, war es nur knapp jeder Sechste mit Lehrabschluss. Im Mai arbeite lediglich jeder Vierte remote, rund 60 Prozent waren wieder im Büro. (set, 16.7.2020)