Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

PRO: Weg mit dem Dreck

von Karl Fluch

Das Schöne am Karl-Lueger-Denkmal in der Wiener Innenstadt sind die Rinnsale der Hunde und jene Spuren, die die Tauben darauf hinterlassen. Sie wirken, als würden des Wieners liebste Viecherln in stiller Deutlichkeit das bewerten, wofür die Politik händeringend eine Rechtfertigung sucht. Dabei gibt es keine: Das Denkmal gehört weg.

Es ist ein Symbol für die ewige Relativierung des Antisemitismus hierzulande. Der einstige Bürgermeister von Wien war glühender Antisemit. Er hat damit Adolf Hitler wesentlich beeinflusst; der lobte ihn später in seiner vor Pathos saftelnden Art über den braunen Klee.

Aber Moment, werfen da die Befürworter ein, Lueger hat doch Schulen gebaut, ein Waisenhaus gar, die Stadt mit Gaswerken, Elektroanlagen und Wasserleitungen in die Moderne geführt. Ja, aber am liebsten hätte er diese neue Welt ohne Juden gesehen. Man kann ein E-Werk nicht gegen eine Ideologie aufwiegen, die zum Holocaust geführt hat. Das ist wie der historisch nur halbrichtige Hinweis auf den Bau der deutschen Autobahn als Zeichen für Hitlers menschliche Größe. Ach ja, und tierlieb war er auch.

Niemand – hoffentlich – würde deshalb Hitler ein Denkmal errichten wollen. Wer sich über Karl Lueger informieren will, kann das in den Geschichtsbüchern tun. Ihm die Prominenz einer Statue einzuräumen ist vermessen. Es ist eine Schande für die Stadt und das ganze Land. (Karl Fluch, 14.7.2020)

KONTRA: Ein Denkmal als Warnung

von Gerald John

An den antisemitischen Ergüssen des Karl Lueger gibt es nichts zu verharmlosen: Der schon zu Lebzeiten legendäre Bürgermeister hat sein Publikum verhetzt und den Boden für Adolf Hitler aufbereitet. Trotzdem sollte sein steinerner Nachfahre, der seit bald 100 Jahren am Stubentor wacht, nicht aus dem Stadtbild verschwinden. Vielmehr sollte den Wienern die Geschichte des Volkstribuns vor Augen geführt werden – als Warnung dafür, wie das Gift des Judenhasses und der Sündenbockrhetorik in die Mitte der Gesellschaft dringen kann.

Lässt sich mit diesem Argument nicht auch ein Hitler-Denkmal rechtfertigen? Der Vergleich ist nicht stichhaltig. Antisemitismus und Massenmord waren der Kern von Hitlers Regentschaft. Lueger hingegen war ein verbaler Aggressor, der aber keine Vertreibungs- und Vernichtungspolitik betrieben, sondern ein vielschichtiges Erbe hinterlassen hat. In seiner Amtszeit erlebte die Stadt einen Modernisierungsschub großen Stils, kommunale Einrichtungen wurden ausgebaut und aus privater in die öffentliche Hand überführt. Wer Wiens Geschichte in allen Facetten verstehen will, kommt an Lueger nicht vorbei.

Das heißt nicht, dass der "schöne Karl" unbehelligt bleiben soll. Eine radikale künstlerische Umgestaltung sollte dem Denkmal die Heldenhaftigkeit nehmen und die widerliche Seite Luegers hervorstreichen. Doch ein Abriss schafft statt Erinnerung nur Erinnerungslücken. (Gerald John, 14.7.2020)