Die Wirecard-Pleite wirft auch Schatten auf die Einheit in Graz. Für die wird ein Investor gesucht.

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Die Wirecard-Pleite ist um eine Facette reicher. Die deutsche Finanzaufsicht Bafin hat die Staatsanwaltschaft München über einen Insiderverdacht beim kollabierten Zahlungsdienstleister informiert. Eine Bafin-Sprecherin bestätigte einen entsprechenden Vorabbericht vom Handelsblatt. Es geht dabei um ein Posting in einem Börsenforum. Acht Tage vor dem Wirecard-Crash habe darin ein Nutzer geschrieben, dass der Bilanzprüfer EY am 18. Juni nicht uneingeschränkt testieren werde. Die Wirecard-Geschäftsführung habe keine erforderlichen Nachweise erbracht, woher erhebliche Summen als Sicherheiten auf Treuhandkonten stammten, und Mitarbeiter hätten die Information weitergegeben, habe es in dem Post geheißen.

Damit habe der anonyme Hinweisgeber das Prüfergebnis von EY vorweggenommen. Schon im Frühjahr 2020 seien Konzerninsider bei Wirecard über Probleme mit der Abschlussprüfung informiert gewesen.

Gewinn und Ausschüttung

Fragen zur Bilanz und zur Geschäftsgebarung stellen sich nun auch bei der in die Insolvenz geschlitterten Österreich-Niederlassung Wirecard Central Eastern Europe. Im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2019 (der erst im April beim Firmenbuchgericht eingereicht wurde) wies das Unternehmen noch einen Bilanzgewinn von 8,29 Millionen Euro aus. Als die Niederlassung in Graz am 3. Juli in die Insolvenz schlitterte, wies das Unternehmen laut den Kreditschützern AKV, KSV 1870 und Creditreform eine Überschuldung (negatives Eigenkapital) von 0,6 Millionen Euro auf.

Knapp vor der Insolvenz – genauer gesagt am 14. April – gab es noch einen Umlaufgesellschafterbeschluss. In diesem hatte die Wirecard Sales International Holding (sie ist Alleingesellschafterin der Wirecard Central Eastern Europa) drei Punkte beschlossen. Der Jahresabschluss der Grazer wurde darin als "geprüft, festgestellt und genehmigt" erklärt. Des Weiteren wurde beschlossen, dass vom Bilanzgewinn von 8,29 Millionen Euro ein Betrag von 2,71 Millionen Euro ausgeschüttet wird. Der restliche Betrag in der Höhe von 5,57 Millionen Euro wurde auf neue Rechnung vorgetragen. Die Geschäftsführer wurden für 2019 entlastet.

Keine Bankfinanzierung

"Zu prüfen ist hier, ob diese Ausschüttung wirklich vorgenommen wurde und an wen das Geld geflossen ist", sagt Manfred Biegler, Gutachter und Wirtschaftsforensiker. Die bilanzielle Abbildung des gesamten Geschäftsmodells sei nachhaltig zu hinterfragen, denn die Grazer Gesellschaft sei völlig ohne Bankfinanzierungen ausgekommen und zeigte vor der Insolvenz einen Barmittelbestand von 3,5 Millionen Euro – der die Schulden damit bei weitem überstiegen habe. Wie ein so aufgestelltes Unternehmen innerhalb von sechs Monaten insolvent werden kann, sei für Biegler nicht nachvollziehbar.

Biegler ist auch Vereinsvorstand von Cobin Claims, die derzeit versuchen, Ansprüche von geschädigten Gläubigern zu prüfen. Die Einbringung einer diesbezüglichen Sachverhaltsdarstellung und zur Haftung des Abschlussprüfers werde gerade geprüft, heißt es von Cobin Claims.

Suche nach Investor

Die Insolvenzverwalterin Ulla Reisch ist derweil auf der Suche nach einem Investor für die Grazer Einheit. Sie ist mit einem Partner von TPA verheiratet – das ist jene Kanzlei, die für Wirecard Graz als Abschlussprüfer tätig war. Eine Befangenheit sieht Reisch darin nicht. Ihr Mann sei Steuerberater und nicht als Abschlussprüfer tätig, sagt Reisch. Um dem Anschein einer Befangenheit vorzukommen, habe sie das Gericht von der persönlichen Verbindung informiert. "Zusätzlich werde ich beantragen, einen besonderen Verwalter nach Paragraf 86 Insolvenzrecht zur routinemäßigen Prüfung der Abschlussprüferhaftung beizuziehen", kündigt Reisch an. (Bettina, Pfluger, 15.7.2020)