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Elon Musk hat auch für Neuralink große Pläne.

Foto: Getty

Man kann Elon Musk viel vorwerfen, aber definitiv nicht, dass er keinen breiten Interessenhorizont hat. Neben E-Autos, Raumfahrt, unterirdischen Verkehrssystemen und Hyperloop-Schnellzügen mischt er auch im Bereich der Medizin mit. Vergangenes Jahr stellte er Neuralink vor, ein Unternehmen, das an Chips arbeitet, die ins Gehirn implantiert werden und dort langfristig als Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine dienen sollen.

Nun hat der umtriebige Tech-Manager im Vorfeld eines Neuralink-Events mehr zu den Zielen dieses Projekts verraten. Ein Entwickler wollte von ihm auf Twitter wissen, ob man mit einem Chip des Unternehmens auch jene Bereiche des Hirns "umtrainieren" könne, die besonders bei Suchterkrankungen oder Depressionen aktiviert werden, und ob sich diese Probleme dadurch lösen ließen.

"Natürlich", entgegnete ihm Musk. "Das ist großartig und erschreckend zugleich. Alles, was wir je gefühlt oder gedacht haben, sind elektrische Signale. Das frühe Universum war nur eine Suppe aus Quarks und Leptonen (zwei der drei grundlegenden Bausteine von Materie im derzeitigen Standardmodell der Physik, Anm.). Wie hat ein kleiner Teil des Universums damit begonnen, von sich selbst als Wesen mit Bewusstsein zu denken?"

Mehr als Marketing?

Aber sind Chip-Implantate tatsächlich eine zukunftsweisende Lösung? Schon der Start von Neuralink war bei einigen Beobachtern auf Skepsis gestoßen, auch weil Musk bei seinen Projekten nicht unbedingt für große Bescheidenheit in Sachen Marketing bekannt ist.

Dem E-Auto-Hersteller Tesla und ihm selbst wird etwa ob verschiedener Aussagen zum Assistenzsystem "Autopilot" irreführende Werbung vorgeworfen. Ein deutsches Gericht entschied kürzlich, dass das Unternehmen mit diesem Begriff nicht mehr werben darf. Für Zweifel sorgte auch Musks jüngst getätigtes Statement, wonach Tesla noch heuer die Grundlagen für die Umsetzung vollautonom fahrender Autos fertigstellen wird.

Gehirnimplantate als Hoffnungsträger

Neuralink ist allerdings in einem Bereich tätig, in den tatsächlich einige Hoffnung gesetzt wird. So erklären die Experten Michael Cummings und David Puder, beide im Bereich der Psychiatrie praktizierend und forschend, im "Psychiatry Podcast", dass es bereits vielversprechende Ansätze in dieser Richtung gebe.

Der Neuralink-Vorstellungsevent vom Juli 2019.
Neuralink

Ein Verfahren, Deep Brain Stimulation (DBS), beeinflusst über implantierte Elektroden Hirnströme und habe sich bislang bei rund einem Drittel der behandelten Patienten, bei denen Medikamente nicht oder nicht mehr anschlugen, als extrem erfolgreich erwiesen, während das Risiko von Komplikationen während oder nach der Verpflanzung recht gering sei. Ein weiteres Verfahren, Rapid Transcranial Magnetic Stimulation (rTMS), setzt auf elektromagnetische Manipulation ohne Implantat und zeige ähnliche Effekte. Allerdings ist hier mangels verpflanzten Geräts immer nur eine temporäre Behandlung möglich.

Zusammengefasst sind Technologien, wie sie von Neuralink, aber auch anderen Firmen entwickelt werden, eine große Chance für jene von Depressionen Betroffenen, bei denen mit klassischen Therapien und medikamentöser Behandlung keine Fortschritte erzielt werden. Auch für die Behandlung von Schizophrenie und Zwangsstörungen gelten sie als vielversprechender neuer Ansatz. Ebenso wird bei der Symptomlinderung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson in diese Richtung geforscht und experimentiert.

Für Neuralink hat Musk allerdings eine noch weiterreichende Vision. Er strebt an, eine Schnittstelle zu entwickeln, mit der der Mensch und künstliche Intelligenz künftig eine Art Symbiose eingehen sollen. Genaueres dürfte man am 28. August erfahren, dann will das Unternehmen mehr über seine aktuellen Fortschritte und Zukunftspläne verraten. (gpi, 15.7.2020)