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Eine ordentliche Schlappe für die EU-Kommission: Apple muss keine Steuern nachzahlen.

Foto: Reuters/Dado Ruvic

Luxemburg – Schwere Niederlage für die EU-Kommission: Seit fast vier Jahren zieht sich ihre juristische Schlacht mit Apple, in der es um eine milliardenschwere Steuernachzahlung geht, dahin. Die Kommission warf dem IT-Konzern vor, Irland um 13 Milliarden Euro geprellt zu haben. Am Mittwoch fällte das Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg nun eine Entscheidung: Apple muss keine Steuern nachzahlen.

Das Gericht habe die Nachforderung der Kommission aus dem Jahr 2016 aufgehoben, teilten die Richter mit. Die Kommission sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass Apple unrechtmäßige Steuervergünstigungen erhalten habe. Der Streit könnte aber noch weiter zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) gehen und dort möglicherweise anders bewertet werden. Verfahrensbeobachter gehen nicht davon aus, dass sich die Kommission bereits geschlagen gibt.

Das EuG musste die Forderung der Kommission an Irland prüfen, von Apple 13 Milliarden Euro zurückzufordern; gegen diesen Beschluss hatten der Konzern und auch Irland selbst geklagt. Die irische Regierung begrüßte deshalb das Urteil. Es habe keine Sonderbehandlung oder Staatshilfen gegeben, Apple sei nach den normalen Vorschriften in Irland besteuert worden, erklärte das Finanzministerium.

EU-Kommission will europäische Steueroasen trockenlegen

Auch an einer anderen Front versucht die Kommission das Problem fehlender Steuereinnahmen in den Griff zu bekommen – und zwar mit einem juristischen Kunstgriff. Die Behörde erwägt, gegen die Steuerpraxis einiger ihrer Mitgliedsländer vorzugehen. Wie die "Financial Times" berichtet, könnte die Kommission Artikel 116 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union aktivieren – und somit in die nationalen Steuersysteme ihrer Mitglieder eingreifen. Um Steueroasen innerhalb der EU trockenzulegen, braucht es lediglich eine qualifizierte Mehrheit: 55 Prozent der Mitgliedsstaaten, die zusammen 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Wäre die Einstimmigkeit aller EU-Länder nötig, hätte das jüngste Vorhaben der EU-Kommission wohl keine Chance.

Zwar berichtet die "Financial Times", dass sich die entsprechenden Pläne in einem sehr frühen Stadium befänden. Allerdings sei die Maßnahme nicht Brüssels erste, die es auf maßgeschneiderte Steuerpakete für multinationale Konzerne abgesehen habe.

Die Niederlage der EU bedeutet auch, dass ihre bisher eingesetzten Mittel gegen Steuergeschenke an Großkonzerne vorerst zahnlos bleiben. Das Urteil könnte in der Folge also einen Einfluss darauf haben, ob die Kommission per Artikel 116 in die Steuerpolitik ihrer Mitglieder eingreift.

Es geht um mehr als nur Geld

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte Apple im August 2016 aufgefordert, die Milliardensumme für den Zeitraum von 2003 bis 2014 nachzuzahlen, weil Irland dem Konzern eine unzulässige Sonderbehandlung bei den Steuerkonditionen gewährt habe. Irland und Apple wehrten sich dagegen. Der US-Konzern betonte vor dem EU-Gericht, dass die Erträge der zwei irischen Tochterfirmen, um die sich alles dreht, vor allem in den USA zu versteuern gewesen seien.

Bei dem Streit geht es nicht nur um viel Geld. Für die Kommission hätte die Entscheidung auch eine richtungsweisende Weichenstellung werden können. Seit Jahren ringt die EU mit diversen Mitgliedsstaaten um Steuervergünstigungen für Unternehmen. Zudem könnte das Verfahren für Streit zwischen den USA und Europa über die Besteuerung amerikanischer Unternehmen sorgen. Und für Apple geht es auch um den Ruf: Der IT-Riese will sich nicht als Steuerflüchtling und Trickser bezeichnen lassen.

Vestager will weiterkämpfen

Die Emotionen kochen immer wieder hoch. So hatte Apple-Chef Tim Cook die Kritik Vestagers, Apple habe in Irland im Jahr 2014 eine Körperschaftssteuer von nur 0,005 Prozent bezahlt, als "politischen Dreck" bezeichnet. Die US-Regierung warf der Kommission vor, Anspruch auf Steuereinnahmen zu erheben, die dem US-Fiskus zustünden.

Nach dem EuG-Urteil erklärte Vestager am Mittwoch, dass sie ihren Kampf gegen Steuervermeidung multinationaler Konzerne auf jeden Fall fortsetzen werde. Die Kommission werde aggressive Steuerplanung von Unternehmen weiterhin beobachten, ebenso die Frage, ob diese zu illegalen staatlichen Beihilfen führe.

Eine Verschiebung von Konzerngewinnen in Niedrigsteuerländer betreiben übrigens auch österreichische Unternehmen. 17 von 20 Firmen, die im Wiener Börsenleitindex ATX gelistet sind, haben Töchter in Ländern mit einem nominalen Steuersatz von unter zehn Prozent. Zum Beispiel die Raiffeisen Bank International (RBI), die Erste Group oder auch teilstaatliche Unternehmen wie OMV, Telekom Austria und Österreichische Post. Das geht aus einer aktuellen Geschäftsbericht-Analyse des Wiener Momentum-Instituts hervor.

Schlüsselfrage im Verfahren

Die Schlüsselfrage in dem Verfahren ist, welcher Anteil des in Irland angesammelten Geldes auch dort hätte versteuert werden müssen. Apple betonte vor dem EU-Gericht, dass die Erträge der zwei irischen Tochterfirmen, um die es geht, vor allem in den USA zu versteuern gewesen seien. Die irische Tochter Apple Sales International (ASI) sei lediglich für den Vertrieb von Geräten des Konzerns außerhalb Nord- und Südamerikas zuständig gewesen – während die eigentlichen Werte vor allem in den USA geschaffen worden seien.

Die Kommission bestritt zwar nicht, dass ein Großteil des intellektuellen Eigentums bei Apple in den USA entstehe. Allerdings habe die irische Steuerbehörde nicht die notwendigen Analysen des gesamten Geschäfts der Apple-Töchter durchgeführt, um begründet entscheiden zu können, welcher Anteil der Gewinne wo versteuert werden sollte. Die Kommission wies auch die Darstellung von Apple zurück, die beiden irischen Firmentöchter seien lediglich mit Vertrieb und Fertigung beauftragt gewesen. (and, luis, APA, 15.7.2020)