Das Wetter schien nicht mitzuspielen. Hunderte Wissenschafter und Militärangehörige harrten auf ihren Beobachtungsplätzen in sicherer Entfernung aus, um das Ergebnis des größten militärischen Forschungsprojekts der Menschheitsgeschichte mit eigenen Augen zu sehen: Unter dem Codenamen Trinity sollte um exakt vier Uhr früh am 16. Juli 1945 in der Wüste New Mexicos die erste Atombombe der Welt explodieren und die USA zur Atommacht befördern. Eine quälende Minute um die andere verstrich, das Gewitter tobte weiter.

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Vorbereitungen für den ersten Atombombentest der Welt: Die Plutonium-Implosionsbombe, genannt "The Gadget", wurde auf einem 30 Meter hohen Stahlturm aufgehängt.
Foto: AP

Die Wetterprognosen hatten schon im Vorfeld befürchten lassen, dass der Zeitpunkt ungünstig sein könnte. Das Risiko von Blitzeinschlägen in den 30 Meter hohen Stahlturm, auf dem die Plutonium-Implosionsbombe gezündet werden sollte, bereitete den verantwortlichen Physikern Sorgen. Aber der politische Erfolgsdruck war groß: Deutschland hatte im Mai kapituliert, noch aber war der Krieg nicht zu Ende. Für den 17. Juli 1945 hatten die USA, Großbritannien und die Sowjetunion die Potsdamer Konferenz anberaumt, um über die Zukunft Europas und insbesondere Deutschlands zu verhandeln. Da wollte US-Präsident Harry Truman das erste Testergebnis des Manhattan-Projekt genannten Atomwaffenprogramms in der Tasche haben.

Zerstörer der Welten

Im Morgengrauen kam dann grünes Licht: Der Himmel über dem Testgelände klarte auf. Um 5 Uhr 29 Minuten und 45 Sekunden wurde die Testwaffe gezündet – und eine grelle, künstliche Sonne mit ungeheurer Zerstörungskraft bescherte eine radioaktive Morgendämmerung. Der Trinity-Test war ein voller Erfolg: Die gemessene Sprengkraft erreichte 21 Kilotonnen TNT und riss einen 330 Meter breiten Krater in den Sand. Eine Pilzwolke stieg zwölf Kilometer empor.

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Der erste Atompilz der Welt wuchs zwölf Kilometer in den Himmel, die Druckwelle des Trinity-Tests war 160 Kilometer weit zu spüren. Übrig blieb ein riesiger, verstrahlter Krater.
Foto: Picturedesk

"Wir wussten, die Welt würde nicht mehr dieselbe sein. Ein paar Leute lachten, ein paar Leute weinten, die meisten waren still", erinnerte sich J. Robert Oppenheimer, der wissenschaftliche Leiter des Manhattan-Projekts, später an diesen Moment. Die Tragweite seiner Arbeit war Oppenheimer bewusst, er musste an eine Zeile aus der Bhagavad Gita denken, ein zentraler Text des Hinduismus: "Jetzt bin ich zum Tod geworden, dem Zerstörer der Welten." Schon die Ereignisse der nächsten Wochen gaben ihm recht: Im August 1945 wurden die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki durch US-Atombomben zerstört.

Dass Trinity und die Folgen Geologen noch Jahrzehnte später beschäftigen und für Diskussionen darüber sorgen würden, ob sie nicht am Beginn einer Entwicklung standen, die ein neues Erdzeitalter einleitete, hätte Oppenheimer vermutlich doch überrascht.

Angst vor deutscher Bombe

Zu den Augenzeugen des Trinity-Tests zählte auch der gebürtige Wiener Otto Robert Frisch. Der Physiker war gleich in mehrfacher Hinsicht in den Bau der ersten Atombombe verstrickt: Gemeinsam mit seiner Tante Lise Meitner und in Zusammenarbeit mit Otto Hahn und Fritz Straßmann hatte er 1938 das Prinzip der Kernspaltung entdeckt. Frisch, der aus einer jüdischen Familie stammte, hatte seine Karriere wie Meitner in Deutschland begonnen, lebte aber seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 im Exil.

Angetrieben von der Sorge, in Nazideutschland könnte bereits an der militärischen Nutzbarmachung der Kernspaltung gearbeitet werden, verfasste er 1940 gemeinsam mit dem ebenfalls aus Deutschland emigrierten Rudolf Peierls in Birmingham das "Memorandum über die Eigenschaften einer radioaktiven Super-Bombe": Darin machten die beiden Physiker die britische Regierung erstmals auf die Möglichkeit der Herstellung von Atomwaffen aufmerksam und warnten vor der Gefahr einer deutschen Bombe.

Von links: William Penney, Otto Robert Frisch, Rudolf Peierls und John Cockcroft nach der Auszeichnung mit der "Medal of Freedom" für ihre Teilnahme am Manhattan-Projekt 1946.
Foto: Los Alamos National Laboratory

Damit gaben sie einen wichtigen Anstoß für das britische und bald auch das ambitioniertere US-amerikanische Atombombenprogramm. Peierls und Frisch gingen 1943 als Teil einer britischen Physikerdelegation nach Los Alamos im US-Bundesstaat New Mexico, um sich selbst am Manhattan-Projekt zu beteiligen, und leisteten dort wichtige Beiträge zum Bau der ersten "Super-Bombe".

Schreckliches Gleichgewicht

In ihrem Memorandum hatten sich Peierls und Frisch nicht nur mit Physik beschäftigt, sondern auch das Prinzip der nuklearen Abschreckung vorhergesehen: Die effektivste Antwort auf eine atomare Bedrohung sei es, mit einer vergleichbaren Waffe eine Art Bedrohungsgleichgewicht herzustellen, hielten die beiden Physiker fest – und dachten dabei an eine deutsche Waffe, die es in Schach zu halten galt.

Tatsächlich war das deutsche Kernwaffenprojekt nicht aus seinen Kinderschuhen gekommen, eine Bombe gab es nie. Ein atomares Gleichgewicht des Schreckens sollte aber die kommenden Jahrzehnte des Kalten Kriegs zwischen den USA und der Sowjetunion prägen, ausgerechnet mit maßgeblicher Hilfe eines Freunds und Mitarbeiters von Peierls. Auch er war beim Trinity-Test zugegen: Klaus Fuchs, der nach einem späteren Urteil des US-Kongresses "größeren Schaden angerichtet hat als jeder andere Spion in der Geschichte".

Moskaus Mann im Manhattan-Projekt

Der brillante theoretische Physiker Fuchs, der als überzeugter Kommunist ebenfalls 1933 aus Deutschland geflüchtet war, arbeitete acht Jahre lang mit Peierls in den Atomwaffenprojekten Großbritanniens und der USA – und gab über die gesamte Zeit wertvolle Informationen an Moskau weiter. Als Fuchs Ende 1949 aufflog und bald darauf verhaftet wurde, hatte die Sowjetunion zum Entsetzen des Westens bereits ihrerseits einen ersten erfolgreichen Atombombentest absolviert.

Klaus Fuchs um 1940.
Foto: UK National Archives

Das darauffolgende nukleare Aufrüsten verursachte nicht nur Erschütterungen in der machtpolitischen Tektonik. Insbesondere die Vielzahl an atmosphärischen Atombombentests in den 1950er- und 1960er-Jahren brachte geologische Auswirkungen mit sich, die bis heute messbar sind. 1963 wurden nukleare Bombentests in der Luft, im Weltall und unter Wasser verboten. Doch bis dahin war es in der Atmosphäre wie auch in den Gewässern und Gesteinsschichten unseres Planeten zur Anreicherung von Radionukliden gekommen.

Radioaktive Spurensuche

In Gewässern handelt es sich dabei hauptsächlich um Tritium – ein Isotop des Wasserstoffs. Dieses wird auch in der Atmosphäre gebildet und durch Niederschlag in Gewässer eingetragen. Doch als Folge der Atombombentests sind die Tritiumwerte im Niederschlag in den 1960ern auf das Tausendfache angestiegen, berichtet Gerhard Schubert, Leiter der Fachabteilung Hydrogeologie der Geologischen Bundesanstalt, einer Forschungseinrichtung des österreichischen Wissenschaftsministeriums. "Für Hydrologen ist Tritium ein wichtiger Spurenstoff, den man verwenden kann, um das Alter von Gewässern zu bestimmen", sagt Schubert.

Die Halbwertszeit von Tritium beträgt 12,3 Jahre – in dieser Zeitspanne zerfällt also die Hälfte der Tritiumkerne. Weist ein Gewässer einen hohen Tritiumgehalt auf, kann man daraus schließen, dass es um die 60 Jahre alt sein muss, als der Tritiumgehalt im Niederschlag viel höher war als heute. Enthält ein Gewässer kein Tritium, deutet das darauf hin, dass es noch älter und gut geschützt vor Einträgen von der Oberfläche ist. "Solche geschützten Tiefengrundwässer sind eine sehr wichtige Reserve", sagt Schubert.

Ein neues Erdzeitalter

Auch in den Böden ist radioaktiver Fallout, der auf die oberirdischen Atombombentests der 1950er- und 1960er-Jahre zurückgeht, zu finden. Genau diese Ablagerungen könnten dazu herangezogen werden, ein neues Erdzeitalter zu definieren, nämlich jenes, das maßgeblich vom Menschen dominiert wird: das Anthropozän. Im Jahr 2000 brachte der Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen bei einer Konferenz eher spontan die Idee auf, dass die globalen, vom Menschen verursachten Umweltveränderungen rechtfertigen würden, ein neues Erdzeitalter auszurufen.

Mit diesem Vorschlag entspann sich eine geologische Debatte, die bis heute im Gang ist. Letztlich muss die Internationale Kommission für Stratigraphie ihre Zustimmung geben. Entscheidend ist, ob das Zeitalter einer bestimmten Gesteinsschicht zugeordnet werden kann, die sich klar von früheren Schichten unterscheidet. Genau dabei kommen die durch Atombombentests global freigesetzten Radionuklide ins Spiel.

Willkommen im Anthropozän

"Es war nicht unsere erste Idee, das Anthropozän um 1950 beginnen zu lassen", sagt Jan Zalasiewicz, Paläobiologe an der University of Leicester und langjähriger Vorsitzender der Anthropozän-Arbeitsgruppe in der Internationalen Kommission für Stratigraphie. Lokal wären die menschlichen Einflüsse auf die Erde schon viel früher zu bemerken, doch um ein neues Erdzeitalter zu begründen braucht es einen Marker, der rund um die Welt ziemlich genau zur selben Zeit nachweisbar ist. Vor fünf Jahren brachten Geologen um Colin Waters, ebenfalls von der University of Leicester, den Vorschlag ein, die radioaktiven Ablagerungen in den Gesteinsschichten, die durch Atombombentests verursacht worden sind, als diesen Marker heranzuziehen.

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Heute erinnert ein Gedenkstein an den "Ground Zero" der ersten Kernwaffenexplosion der Welt in der kargen Wüstenlandschaft des US-Bundesstaats New Mexico.
Foto: Picturedesk

Inzwischen reihen sich immer weitere Evidenzen hinzu, die einen Beginn des Anthropozäns um 1950 sinnvoll erscheinen lassen: die explosionsartige Verbreitung von Plastik, der enorme Einsatz von Beton, die Verwendung von Pestiziden oder der gewaltige Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. "Durch die schnellen geologischen Veränderungen ab 1950 sehe ich eine Notwendigkeit, das Anthropozän als eigenständiges Erdzeitalter einzuführen", sagt Waters. Die Entscheidung, ob jene militärischen Versuche in New Mexico vor 75 Jahren auch die Einführung eines neuen Erdzeitalters rechtfertigen, wird die Geologen jedenfalls noch länger beschäftigen. (David Rennert, Tanja Traxler, 16.7.2020)