Als Kinder haben wir fast jeden Abend in den Särgen gespielt, mein Bruder und ich. Dracula und so. Das war wirklich lustig." Keine Sorge, hier geht’s nicht um Leichenfledderei. Georg Zelenka, 47, ist in einer Dienstwohnung in der ehemaligen Zentrale der Bestattung Wien in der Goldeggasse aufgewachsen. Sein Vater war nämlich Leiter der Zentrale und als solcher u. a. für Prominentenbegräbnisse zuständig, wie etwa das von Hans Moser. Im selben Gebäude waren auch die verschiedenen Modellsärge untergebracht. "Ab 15.30 Uhr gab’s keinen Parteienverkehr mehr – also hat alles uns gehört. Auch die Angestellten waren sehr lieb zu uns – in der Sargwerkstatt haben sie uns oft was basteln lassen." Eine unbeschwerte Kindheit zwischen Kiefer furniert und Eiche massiv.

Das Bestattungsmuseum auf dem Zentralfriedhof ist ein lebendiges Denkmal für die narzisstische Morbidität der Wiener.
Foto: Regine Hendrich

Mit den Zielpersonen für sein großformatiges Holzspielzeug bekam es Zelenka, Betonung auf dem ersten E, erst später zu tun. Als junger Erwachsener landete er nämlich schließlich selbst bei der Bestattung Wien. Die Zentrale ist mittlerweile in Simmering, gleich beim Zentralfriedhof, und Zelenka ist für den Kundenkontakt zuständig. Nein, nicht das, was Sie jetzt denken! Er kümmert sich um die Hinterbliebenen, die ihre Verstorbenen in besten Händen wissen wollen, bis diese sicher unter den Radieschen angekommen sind.

Übrigens: In ein Grab passen bis zu vier Särge übereinander. Läuft das bezahlte Nutzungsrecht einer Person bzw. Familie aus, werden die Gebeine ausgegraben, in eine kleine Kiste gesteckt und ganz unten wieder eingegraben, danach kommen neue Särge drüber. So liegen auf dem Zentralfriedhof in circa 150.000 Gräbern die sterblichen Überreste von etwa drei Millionen Menschen.

T-Shirts, Taschen, Gesichtsmasken

Die Bestattung Wien, exakt benamst "Bestattung und Friedhöfe Wien GmbH", kurz BFW, gehört zu den Wiener Stadtwerken, genauso wie die Wiener Linien oder die Wien Energie. Das erkennt man auch am Logo – in diesem Fall statt des allgegenwärtigen Schwarz-Rots in pietätvollem Schwarz-Grau gehalten. Und dieses Logo, gemeinsam mit einigen wirklich brillanten Ideen, ist mittlerweile auch weltweit bekannt: Wiens städtisches Bestattungsinstitut ist wohl das einzige weltweit, das mit makaberem, aber keineswegs geschmacklosem Merchandise nicht nur Wienerinnen und Wiener verzückt, sondern auch international Furore macht. Von Stofftaschen mit der Aufschrift "Ich turne bis zur Urne" bis "Rauchen sichert Arbeitsplätze" auf Zigarettenschachteln – viele der Artikel haben Kultfaktor. Die Lego-Nachbauten von Grab (inklusive Trauergästen!), Leichenwagen oder Fourgon (Sargtransporter) sind echte Sammlerstücke (leider auch vom Preis her), dafür eignen sich die USB-Sticks in Sargform (Holz oder Plastik) bestens als Mitbringsel für gute Freunde oder, na ja, beste Feinde.

Im Shop der Bestattung gibt es Schürzen und Turnbeutel zu kaufen.
Foto: Regine Hendrich

"Begonnen hat alles mit kleinen Weihnachtsgeschenken für unsere VIP-Kunden", erzählt Zelenka. VIP-Kunden, das sind in diesem Fall sinnigerweise Alters- und Pflegeheime, Krankenhäuser oder Pfarrbüros. "Die bekamen Feuerzeuge, Kugelschreiber oder Pfefferminzzuckerln mit unserem Logo." Und diese Artikel waren derart beliebt, dass sich ein regelrechter Schwarzhandel damit entwickelte – der Flirt mit dem Tod lässt sich eben auch in den kleinen Dingen genießen. "Vor einigen Jahren kam dann die Idee, diese Dinge auch offiziell zum Verkauf anzubieten."

Und hier begann der bewährt gemütlich-pragmatische Zugang zum Letztgang äußerst kreative Blüten zu treiben. Neben den bereits erwähnten Artikeln gibt es u. a. Fan-T-Shirts mit wechselnden Slogans ("Ich nasche, bis ich verasche") oder den köstlichen Friedhofshonig. Als Frucht des regen Austauschs über die sozialen Medien zwischen den dort nicht minder originell auftretenden Büchereien Wien und dem Bestattungsmuseum Wien erschien sogar als gemeinsame Sonderedition die schicke Büchertasche "Ich lese, bis ich verwese". Nur der letzte Output – die Mund-Nasen-Maske mit der befremdlichen Aufschrift "Aushustverhüterli" – ist nicht ganz auf dem Humorniveau des Hauses, dabei wären die Wuchteln hier so aufgelegt gewesen.

Klappsarg: kein Zukunftsmodell

In jedem Fall ist es wohl kein Zufall, dass die Bestattung Wien mit ihrer regen Social-Media-Präsenz und ihrem kreativen Instinkt hier eine ähnliche Funktion in der städtischen Imagebildung einnimmt wie die BVG, die Verkehrsbetriebe, in Berlin. Hier und dort wirbt und scherzt man flapsig, aber punktgenau – aus der Seele der Stadt, mitten ins Herz der Zielgruppe. Und die sind wir letztlich alle, ob beim öffentlichen Verkehr oder beim privaten Sterben. Das besondere Verhältnis der Wiener zum Tod ist Legende – und auch ein gutes Stück wohlige Selbstinszenierung, die immer wieder frisch befeuert wird. Apropos befeuert: Feuerbestattungen sind nur bis 200 kg Körpergewicht möglich. Der schwerste bisher im Sarg Bestattete wog 350 kg, dafür musste sich die Bestattung einen Kran vom städtischen Steinmetzbetrieb ausborgen.

So ist auch das Bestattungsmuseum, 2014 auf dem Zentralfriedhof neu eröffnet (zuvor war es in der alten Zentrale untergebracht), kein verstaubter Ort verknöcherter Reliquien, sondern ein feines Showcase Wiener Schrulligkeiten mit über 1000 Exponaten. Hier zeigt sich auch der historisch kreative Umgang mit der Bestatterei: Vom Sitzsarg ("war nicht praktikabel") über den Klappsarg ("hat sich nicht durchgesetzt") bis zum Sarg der Zukunft aus den 70ern ("Zukunft says No") sieht man hier Relikte der Wiener Todesverliebtheit.

Auch T-Shirts mit morbiden Aufschriften kann man erwerben. Etwa: "Der letzte Wagen ist immer ein Kombi!"
Foto: Regine Hendrich

Zelenka erzählt, wie die Bestattung Wien überhaupt entstanden ist: "Zur letzten Jahrhundertwende hat es in Wien einen Wildwuchs an Bestattungsunternehmen gegeben. Die haben sich heftigst bekriegt – einander in den Krankenhäusern aufgelauert und Leichen abgejagt." Dieser Zustand war nicht haltbar, also wurden die beiden größten Unternehmen, die Concordia und die Pompes Funèbres (ja, genau, aus denen sich der Begriff "Pompfüneberer" ableitet!), zusammengelegt und alle anderen verboten.

Das Monopol der Bestattung Wien fiel erst nach der Jahrtausendwende, seitdem dürfen auch private Totengräber auf den Wiener Friedhöfen für die ewige Ruhe sorgen. Allerdings ist der Erfolg der Konkurrenz bescheiden. Mittlerweile wurden einige der Neugründungen bereits wieder der BFW einverleibt.

Die letzte Reise ist pauschal

Bestatten Sie: BFW-Kundenberater Georg Zelenka mit Sarah Hierhacker, zuständig für Kommunikation, Marketing und die Social-Media-Inhalte der Bestattung Wien.
Foto: Regine Hendrich

Das letzte Auto ist ein Kombi, die letzte Reise eine Pauschalreise – und die bucht man bei Experten wie Herrn Zelenka. Die Möglichkeiten sind so unendlich wie es das Budget erlaubt. Für die grobe Vorauskalkulation empfiehlt sich die Web-Applikation der BFW: der Bestattungskonfigurator! Ja, den gibt es wirklich. Hier kann man sich online durch zig Optionen durchklicken, zwischen traditionell, individuell, naturverbunden, preisbewusst entscheiden. Das billigste Begräbnis der Stadt Wien kostet etwa 3000 Euro, nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Vom "Fichtensarg Stadlau" bis zur "Nusstruhe Monte Carlo" und darüber (bzw. darunter), prinzipiell ist alles möglich – auch was die Aktivitäten rundherum betrifft. Ob Grabredner, Chor, Orchester oder alles davon. Auch spezielle Erinnerungen an die Verblichenen werden angeboten. Etwa Totenmasken in verschiedenen Ausführungen, gepresste Kunstdiamanten aus der Totenasche, oder – ein Bestseller – der in Silber gepresste Fingerabdruck der Verstorbenen.

"Prinzipiell können wir fast alles umsetzen", meint Zelenka. "Aber so viele außergewöhnliche Anfragen haben wir eigentlich gar nicht." Generell ist die Kundschaft auch grundsätzlich zufrieden. Rückmeldungen wie die eines Klienten, der nach einer abgelehnten Reklamation bezüglich einer Begräbnisrechnung lauthals bemerkte: "I prack da ane genauso wie dem Richter, der mi entmündigt hat!", lassen ihn jedenfalls relativ kühl. Vielleicht liegt das auch an seiner absoluten Arbeitsplatzsicherheit: "Corona hin oder her, die Leute sterben immer. Uns ist die Konjunktur wurscht. Ich krieg mein Gehalt, auch wenn der Wiener ins Armengrab hupft." (Gini Brenner, 16.7.2020)