Zu Podgorskis 85er ein Rückblick nach vorne.

Foto: Robert Newald

Er ist ziemlich genau 20 Jahre älter als das Fernsehen in Österreich. Und er war dieses österreichische Fernsehen über Jahrzehnte – als Erfinder und erster (wie zunächst einziger) Redakteur der Zeit im Bild, als Chefreporter und Sportchef, als Gründer der Seitenblicke und von Bundesland heute, als kürzester TV-Senderchef und als Generalintendant für eine Amtszeit von vier Jahren.

Dieser Thaddäus Podgorski, genannt "Teddy", hat das Fernsehen schon zu seinem 80er (und dessen 60er) vor fünf Jahren für erledigt erklärt. Aber eines wiederholt sich alle fünf Jahre, und immer ziemlich genau ein Jahr nach Podgorskis runden und halbrunden Geburtstagen: die Wahl des ORF-Generals, und seit langem schon von Alexander Wrabetz. Wie Podgorski 1986 wurde Wrabetz 2006 auf Wunsch der SPÖ ORF-Chef, beide verdankten ihre rasche Bestellung den Freiheitlichen. Bei Podgorskis Bestellung war noch Norbert Steger FPÖ-Chef und Vizekanzler, heute ist er Vorsitzender des ORF-Stiftungsrats.

Podgorski betont, er war nie in einer Partei. Und Podgorski war nach vier Jahren wieder Ex-General, er sagt: weil sein Vorgänger und Nachfolger Gerd Bacher 1990 mehr Wünsche von ORF-Betriebsrat bis Politik erfüllte, als er bereit war.

Wrabetz hat nach seiner Bestellung 2006 zwei Wiederwahlen geschafft, einen SPÖ-Kanzler überdauert, der ihn loswerden wollte, und eine ÖVP-FPÖ-Koalition, die zu seinem Glück schneller vorbei war, als sie ein neues ORF-Gesetz zustande brachte.

2021, Anfang August, wird die nächste ORF-Führung bestellt. Und Podgorski kann sich im STANDARD-Gespräch sehr gut vorstellen, dass Wrabetz auch seine dritte Wiederwahl schafft. Auch wenn ÖVP-nahe Stiftungsräte die nächste ORF-Führung ganz alleine mit absoluter Mehrheit bestimmen können.

STANDARD: Warum sollte die ÖVP Wrabetz wählen?

Podgorski: Warum nicht? Es ist ein Sitzer. Ungefährlich.

STANDARD: Ein Überlebenskünstler?

Podgorski: Ein Genie.

STANDARD: Das müssen Sie mir erklären.

Podgorski: Wenn man so viele Jahre Partei-ORF überlebt, ist man ein Genie. Auf irgendeine Weise. Ich will nicht erläutern, was alles dazugehört.

STANDARD: Werden Sie jetzt altersmilde?

Podgorski: Nein, nein. Es ringt mir bis zu einem gewissen Grad Bewunderung ab.

STANDARD: Weil er fast alles macht, was von ihm erwartet wird?

Podgorski: Ich kann mir vorstellen, dass er für die ÖVP wie für jede andere Partei ein großer Gewinn wäre.

STANDARD: Kann der ORF unabhängig sein?

Podgorski: Nein. Er wird ja bezahlt von der Regierung.

STANDARD: Von den Gebührenzahlern.

Podgorski: Die haben ja kein Mitspracherecht. Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Ich habe als ORF-Generalintendant eine lange fällige Gebührenerhöhung gemacht. Da geht man von einem zum anderen wirklich als Knecht mit dem Hut in der Hand, muss sich tief verbeugen und wird angeschnauzt, dass man so viel Geld verbraucht und das nicht notwendig ist. Übrigens von Rot und Schwarz gleichermaßen.

STANDARD: Und man bekommt Bedingungen zu hören?

Podgorski: Klar, natürlich. Nach dem Motto: Ich möchte aber schon, dass … Ich habe vieles nicht erfüllt, weil’s mir wirklich wurscht war, ob ich wiedergewählt werde.

2021 steht im ORF nicht nur eine Generalswahl an. Spätestens in den Wochen danach, im Herbst 2021, muss der ORF seine künftige Gebührenhöhe neu berechnen und üblicherweise einen Antrag auf Erhöhung stellen. Auch über den kann die ÖVP, wenn nötig, im ORF-Stiftungsrat ganz ohne andere Fraktionen entscheiden.

"Was sich die Leute gefallen lassen"

"Unglaublich, was sich die Leute gefallen lassen", sagt Podgorski im Gespräch mit dem STANDARD, und das hat nicht mit Gebührenerhöhungen und damit verbundenen Politwünschen zu tun, aber viel mit der Kanzlerpartei ÖVP des Jahres 2020.

Was Podgorski nach ein paar Monaten Corona-Ausnahmezustand nicht wurscht ist: "Diese Aufmärsche bei den Pressekonferenzen, gefühlt bis zu sechs am Tag. Das hat mich an Monty Python erinnert, Ministry of Silly Walks. Und dann haben sie dort vor allem heiße Luft von sich gegeben."

"Man sollte glauben, dass die Menschen durch Bildung und Erfahrung gescheiter werden. Aber man kann sie manipulieren wie eh und je. Die Bereitschaft der Menschen, das zuzulassen, ist, seit ich auf der Welt bin, nicht weniger geworden." Podgorski wurde am 19. Juli 1935 geboren. (Harald Fidler, 16.7.2020)

TEDDY PODGORSKI ÜBER ...

... den Bundeskanzler und seine Politik

"Sebastian Kurz spielt Monopoly mit der Republik."

... die Corona-Pause der "Seitenblicke"

"Mir fehlen die "Seitenblicke" sehr. Ich weiß gar nicht mehr, wie Alexander Wrabetz und Kathi Zechner ausschauen." Wrabetz ist ORF-General, Zechner TV- und nun Produktionsdirektorin des ORF.

... Privat-TV und dessen Förderung

"Konzerne schicken eine Vorhut nach Österreich und sagen: Macht einen Sender zum Geldverdienen. Verdienen sie nicht genug, verlangen sie’s vom österreichischen Staat – wie jetzt die AUA. Ich hätte AUA in Konkurs gehen lassen und gekauft."

... Podgorski

"Gerhard Zeiler hat über mich gesagt: Ich bin der einzige Mensch, den er kennt, der absolut angstfrei ist. Aber das stimmt nicht."

Gerhard Zeiler, davor Pressesprecher von Kanzler Fred Sinowatz (SPÖ), managte als ORF-Generalsekretär unter Generalintendant Podgorski 1986 bis 1990 den ORF. Zeiler führte später selbst den ORF als General, dann die RTL Group, er ist heute einer der Köpfe der US-Mediengruppe Warner im Telekomkonzern AT&T.

"Ich war zeit meines Lebens ein Probierer. Ich weiß bis heute nicht, was ich werden soll. Viel Zeit hab ich nicht mehr."