Auch nach dem großen Feilschen um das Einfahrtsverbot in die City bleiben strittige Punkte offen. Birgit Hebeins Zeitplan, das Projekt vor der Wahl umzusetzen, wackelt.

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So sehen die Pläne aus. In der Innenstadt gibt es bereits zahlreiche verkehrsberuhigte Bereiche.

Grafik: Der Standard

Im Amtshaus im ersten Wiener Bezirk ging es am Mittwoch heiß her. 43 Organisationen wurden zur sogenannten Ortsverhandlung im Behördenverfahren zur verkehrsberuhigten Innenstadt eingeladen. Mehr als 40 sind der Einladung auch gefolgt, um ihre Positionen zu den grün-türkisen Plänen eines Einfahrtsverbots in die City – mit vielen Ausnahmen – darzulegen. Dabei waren die Bezirksvertreter der angrenzenden Bezirke, Magistratsabteilungen, Polizei, Wiener Linien, Wirtschafts- und Arbeiterkammer sowie eine Vielzahl weiterer Interessenvertreter.

Zwar sprachen die Grünen nach dem Termin von "sehr konstruktiven Gesprächen auf einer fachlichen Ebene". Teils waren die vorgebrachten Standpunkte aber höchst kontrovers. Diese müssen alle erst ins Verfahren eingearbeitet werden. Dazu kommt, dass bis inklusive Dienstag kommender Woche noch schriftliche Stellungnahmen abgegeben werden können. Auch diese müssen danach geprüft werden. Dass der von der grünen Vizebürgermeisterin Birgit Hebein weiterhin verfolgte Plan, die verkehrsberuhigte City noch vor der Wahl am 11. Oktober umzusetzen, auch tatsächlich hält, ist mehr als fraglich. Das Vorhaben ist jedenfalls zum Wahlkampfthema geworden.

Einigung vor einem Monat

Vor rund einem Monat haben sich Hebein und Markus Figl (ÖVP), der Bezirkschef der Inneren Stadt, grundsätzlich auf ein Einfahrtsverbot vom Ring in Richtung Zentrum geeinigt (siehe Grafik). Der Ring selbst ist von der Verkehrsberuhigung nicht umfasst. Präsentiert wurden aber auch zahlreiche Ausnahmen, für die die geplante Verordnung nicht gelten soll: Das betrifft etwa Anrainer mit Hauptwohnsitz. Die Zufahrt zu Parkgaragen ist weiter für alle möglich. Auch Firmenautos können zufahren, sofern diese im Ersten gemeldet sind oder regelmäßig im Ersten zu tun haben. Dazu kommen – um nur einige weitere zu nennen – Taxis, Mitarbeiter des Sozialdienstes, Hotelgäste, Straßendienst oder Fahrzeuge mit Ladetätigkeiten. Am Mittwoch wurde eine weitere Ausnahme bekannt: Bestattungsfahrzeuge sollen auch in Zukunft zufahren können.

Verkehrsstadträtin Hebein spricht trotz der Ausnahmen vom Projekt einer "autofreien" Innenstadt. Ziel sei, vor allem den Durchzugsverkehr zu stoppen. Sie rechnet mit einem unmittelbaren Verkehrsrückgang in der Innenstadt von bis zu 30 Prozent.

Kein grünes Licht von Stadtchef Ludwig

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) erteilte dem Vorhaben aber bislang kein grünes Licht und stieg auf die Bremse. Er vermisst ein schlüssiges Gesamtverkehrskonzept und befürchtet eine Zunahme des Verkehrs sowie mehr Parkplatzdruck in angrenzenden Gebieten. Ludwig kündigte an, sein Ja oder Nein zum Projekt erst nach dem Ende des Begutachtungsverfahrens zu treffen. Darauf verwies Ludwigs Sprecher auf Anfrage des STANDARD auch am Mittwoch. Die Stellungnahmen müssten erst eingearbeitet werden. Und das könne noch dauern.

Das betrifft zum Beispiel die Befürchtung von Bezirksvorstehern der SPÖ und der ÖVP in den Nachbarbezirken, dass sich der Verkehr aus der Innenstadt verlagere. Laut Hebein gibt es "keine Effekte auf Nachbarbezirke": Verkehrswissenschafter der Boku würden damit rechnen, dass Fahrten in diese Bezirke gleich bleiben würden. Um das zu überprüfen, sollen die Auswirkungen ab der Umsetzung der Verkehrsberuhigungspläne begleitend evaluiert werden. Veronika Mickel-Göttfert (ÖVP), Bezirkschefin im Achten, kritisierte die "schlechte Vorbereitung des Projekts" und meinte: "Sich ohne entsprechende verkehrstechnische Studien einfach so über die berechtigten Sorgen der Bezirke hinwegzusetzen ist unprofessionell und zeigt, dass man an einer gemeinsamen Lösung nicht interessiert ist."

Kein Stress bei Figl

Figl sieht zwar das Ziel einer verkehrsberuhigten Innenstadt erreicht. Eine Eile mit der Um setzung vor der Wahl hat er aber nicht: Denn in den Büros von Hebein und Figl wird bestätigt, dass "ein paar Punkte" noch einer Lösung bedürfen. So fordert Figl eine zusätzliche Ausnahme: Mittels Kontingenten soll sichergestellt werden, dass ältere Anrainer von Verwandten mit dem Auto abgeholt, besucht oder mit Einkäufen versorgt werden können. Anrainerparkplätze sollen zeitgleich mit dem Fahrverbot aktiviert und in der Glacis-Zone außerhalb des Rings (und damit außerhalb der Fahrverbotszone) auf 30 Prozent erhöht werden. Auch eine Machbarkeitsstudie wird gefordert: Hier soll geprüft werden, ob es neben Verkehrstafeln auch eine elektronische Kontrolle des Fahrverbots geben kann. (David Krutzler, 15.7.2020)