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Wer Idil Baydar begegnet, der muss schon mal die Fresse halten. Weil sonst gibt’s was auf die Schnauze, ey, hast du misch verstanden?

Die 45-jährige Kabarettistin agiert verbal mehr mit dem Säbel als mit dem Florett, und das ist Teil ihres Erfolges. Rotzfrech ist sie auch eher als ihr Alter Ego Jilet Ayşe – eine Berliner Ghettobraut, die sich viele Gedanken über Ausländer ("Kanaken") wie Deutsche ("Kartoffel") macht und beiden den Spiegel vorhält.

Würde es hingegen nun der Kabarettistin Baydar die Sprache verschlagen haben, man könnte es verstehen. Hass-Post und Drohungen von Rechtsextremen bekommt sie schon lange, doch nun wurde bekannt, dass auch ihr Name und ihre Daten illegal über einen Computer der hessischen Polizei abgerufen worden sind.

Sie möchte eigentlich "nicht das Gefühl haben, dass ich vor der Polizei Angst haben muss", sagt Baydar und zeigt damit: Schweigen wird sie auch weiterhin nicht. Ihr Anliegen: zu zeigen, wie absurd es ist, dass viele Leute sie ständig in eine Heimat, die angeblich anderswo liegt, zurückschicken wollen. Baydar, deren Eltern aus der Türkei stammen, wurde 1975 im niedersächsischen Celle geboren.

Mit 16 Jahren geht sie nach Berlin-Kreuzberg und arbeitet später dort als Integrationsbegleiterin. Als sie den Slang der Jugendlichen imitiert, rät ihr ihre Mutter, das auf Youtube zu stellen. Baydar macht es zunächst widerwillig, doch sie bekommt immer mehr Klicks.

Längst ist sie in Talkshows gefragt und bespielt Bühnen. Wenn sie mit Trainingshose und Riesenklunkern als Jilet Ayşe auftritt, erinnert das an die prollige Cindy aus Marzahn – nur dass Baydar, wie sie selbst erklärt, eben vom "Zentralrat der Kanaken" stammt.

Sie selbst bezeichnet sich als "Integrationsalbtraum Nummer eins", weil sie sich nicht integrieren will, da sie ja in Deutschland geboren ist. Türkin zu sein, habe sie erst einmal lernen müssen. Und damit reifte auch ihr Entschluss: "Ich mach euch die Kanakin!" Die "FAZ" bezeichnete Baydar als die "größte Zumutung auf deutschen Showbühnen", es war ein Lob.

Bedroht wurde sie auch, als sie 2019 die Rede zum Gedenken an die Opfer des Brandanschlags von Mölln (Schleswig-Holstein) hielt. Dort hatten 1992 Rechtsextreme drei Türken getötet. Baydar hielt die Rede trotz der Einschüchterungsversuche. Denn sie findet: "Rechts ist keine Meinung, sondern eine kognitive psychische Erkrankung." (Birgit Baumann, 16.7.2020)