SPÖ-Chefin Rendi-Wagner will, dass die Österreicher beim Einkaufen wieder den Mund-Nasen-Schutz anlegen. Die Regierung setzt auf eine andere Strategie.

Foto: APA/Roland Schlager

Endlich einmal wohlwollende Worte aus der Regierung zur SPÖ: Einen "mit Sicherheit überlegenswerten Vorschlag" nannte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) die jüngste Idee von Pamela Rendi-Wagner zur Eindämmung des Coronavirus.

Doch damit hat es sich auch schon wieder. Erhören will die Koalition den Ruf der SPÖ, die Maskenpflicht generell in Supermärkten wieder einzuführen, nicht. Derzeit lasse sich das Virus gut im Zaum halten, indem die örtlichen Cluster an Infizierten rasch identifiziert und isoliert werden, heißt es aus dem türkisen Kanzleramt wie aus dem grünen Gesundheitsministerium. Beidseitiger Nachsatz: Das gelte für heute – die Einschätzung könne sich ebenso schnell ändern wie die Ansteckungszahlen.

Manche Länder preschen vor

Österreichweit gilt die Maskenpflicht nur mehr eingeschränkt, zum Beispiel in Apotheken, Taxis, Seilbahnen oder öffentlichen Verkehrsmitteln; die Wiener Linien etwa verhängten wegen Missachtung bisher fast 60 Strafen à 50 Euro. Manche Bundesländer haben allerdings strengere Regeln aufgestellt. In Oberösterreich feiert der Mund-Nasen-Schutz wegen hoher Infektionszahlen ein weitreichendes Comeback in geschlossenen Räumen öffentlicher Orte, und in Kärnten gilt das Gebot allabendlich von 21 bis zwei Uhr früh auf den Seepromenaden der Urlaubs-Hotspots. Am Wochenende hat Wolfsberg in verschiedenen Zonen die gleiche Regelung, in manchen Amtsräumen in den Städten Salzburg und Innsbruck herrscht ebenfalls Pflicht.

Doch auch die anderen Oppositionsparteien schließen sich der SPÖ nicht an. Die FPÖ propagiert gezielten Schutz statt pauschaler Regelungen, Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker wünscht sich erst Evidenz für den Nutzen, damit nicht Symbolpolitik betrieben werde: "Ist denn schon ein Cluster von Supermärkten ausgegangen?"

Medizinerin für Maske beim Einkaufen

Offiziell ist dies nicht der Fall. Allerdings bezweifelt Miranda Suchomel, Hygienologin an der Med-Uni Wien, dass ein Supermarkt angesichts der hohen Frequenz von Kunden aus allen Himmelsrichtungen überhaupt als Cluster identifizierbar sei. Suchomel plädiert – beileibe nicht als einzige Medizinerin – für eine erneute Ausweitung der Maskenpflicht: "Mir leuchtet nicht ein, warum das Ansteckungsrisiko im Supermarkt kleiner sein soll als im Zug oder Bus. Das Tragen ist zumutbar."

Aber fehlen bis dato nicht wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit? Schon als Signal allein sei der Spuckschutz, der Tröpfcheninfektionen verhindern soll, wertvoll, glaubt Suchomel. "Die Leute werden daran erinnert, dass wir in einer Pandemie stecken", sagt sie. "So aber sind mit der Maskenpflicht die Hemmungen gefallen. Auf Abstandhalten und Händewaschen wird vielfach vergessen."

Die Widersprüchlichkeiten in den Vorschriften stechen Suchomel auch gerade deshalb ins Auge, weil sie gerade am Klopeiner See weilt. Die dortige Seepromenade zählt zu den Orten, wo abends unter freiem Himmel die Maskenpflicht gilt. Die Medizinerin sieht da nicht nur im Vergleich zum Umgang mit den Supermärkten zweierlei Maß. Biege man von der Promenade zu einem der Beisln ab, dürfe man den Stofffetzen schlagartig von Mund und Nase nehmen: "Da fragt man sich, was das soll." (Gerald John, 16.7.2020)