Im Gastkommentar kritisiert der ehemalige Chef des Generalstabs des österreichischen Bundesheers, Edmund Entacher, dass Klaudia Tanner bei den Themen Luftraumüberwachung und Hubschrauber mit Blendgranaten um sich werfe. In einem weiteren Gastkommentar findet Gerhard Strejcek vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien, dass man der Ministerin eine Chance geben solle. Das Heer müsse aber der Verfassung entsprechen.

Führt ein Ressort in Turbulenzen: Verteidigungsministerin Klaudia Tanner.
Foto: APA / Roland Schlager

Bundesministerin Klaudia Tanner hat auf dem falschen Fuß Hurra geschrien, ihre politischen Beliebtheitswerte sind laut Umfragen im Keller. Wissende und aufmerksame Bürger werden aufgrund ihrer Informationspolitik immer wütender, sie fühlen sich für dumm verkauft.

Beinahe täglich erleben wir Tanners Doppelstrategie: Einerseits setzt sie konkrete Abrüstungs- und Zerstörungsschritte, andererseits erklärt die Ministerin, was "wirklich" gemeint sei – unter Anwendung halsbrecherischer verbaler Akrobatik. Nüchtern gesehen bleibt der Abschied von der militärischen Landesverteidigung – also die Verteidigung unserer Heimat – als angestrebtes Ziel übrig. Es findet de facto eine Kaltverformung unserer Verfassung statt.

Das getaktete Spiel folgt einer Regel: Zerstörung, Dementierung, Zerstörung. Begleitend werden alte Schablonen, wie die unsinnige "Panzerschlacht auf dem Marchfeld" oder "zu viele Generäle" bemüht, um vom eigentlichen Thema, nämlich der Nichtverteidigung Österreichs, abzulenken.

Ministerielle Blendgranaten

Nun geht es auch jenem Teil der Streitkräfte an den Kragen, der auch im Rahmen der Katastrophenhilfe eingesetzt wird: Die schon beschlossene Anschaffung von Hubschraubern soll aufgehoben – oder aufgeschoben werden. Nachdem die Luftraumüberwachung schwer angeschlagen ist, kommen nun auch, so scheint’s, die Hubschrauber dran. Aber auch da wird Tanner bei einer verbalen Akrobatikvorführung nichts als Vorteile sehen. Wahr ist hingegen: Die beabsichtigten Schritte bei der Luftraumüberwachung und bei den Hubschraubern werden in Zukunft unter anderem Standorte gefährden. Die Einsparungen beim Personal beziehungsweise das Verschieben von Planstellen zur Polizei dürfte schon einkalkuliert sein. So wächst auch der Rückstau an Investitionen weiter, der von der Ministerin schon als unaufholbar bezeichnet wurde. Dabei gilt auch in der Militärtechnik: Nicht investieren heißt veralten! Die Ausrüstung wird also zunehmend unbrauchbar.

Die Ministerin und ihr engster Kreis werfen bei den Themen Luftraumüberwachung und Hubschrauber mit Blendgranaten um sich: Zahlen werden verdreht, es wird falsch zitiert, mit Worten getrickst und Unwahres behauptet. Nachdem bei den Jets eine Type wegorganisiert werden soll, wird nur eine Type übrig bleiben. Diesen Zustand hat man nun als "Ein-Flotten-Lösung" bezeichnet und dabei mehrere Vorteile entdeckt, wo es keine gibt. Wahr ist: Eine Ein-Flotten-Lösung mag gut klingen, tatsächlich wird sie teurer und macht Österreicher unsicherer. Diese Ablenkungsmanöver führen den ehemaligen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil zu dem Schluss, dass Tanner "selbst das größte Problem des Bundesheeres sei, sie kommuniziere nicht mit dem Generalstab und treffe keine Entscheidungen".

Dilettantische Papiere

"Tanners Weg führt das Bundesheer in den Abgrund", meint SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer. Dabei geht es weniger um das Heer selbst, sondern um das Bekenntnis, Österreich zu verteidigen. Laimers Argument spricht allerdings eine gesellschaftspolitische Dimension an: Die treuesten Diener dieses Landes – Tausende dienen nahe der Selbstaufgabe – werden von der politischen Führung ignoriert. Dies trotz ihrer Einsätze in allen Bereichen, wo gerade "Not am Mann" ist, trotz ihrer exzellenten Ausbildung und trotz ihres Erfolges bei internationalen Wettkämpfen.

Tanners politisches Versagen gipfelt in der Nichteinbindung des Generalstabs. Nicht das militärische Spitzenpersonal erarbeitete ihr Konzeptpapier und ihre "Kommunikationstrategie" fürs Bundesheer, sondern ihr unbedarftes Büro unter der Führung ihres Generalsekretärs Dieter Kandlhofer. Kein Wunder, dass beide Papiere als dilettantisch gelten. Die Arbeit hätte Tanner ihren Mitarbeitern sparen können. Ihre Vorgänger Mario Kunasek und Thomas Starlinger haben die notwendigen Grundlagen für die Zukunft des Heeres bereits fundiert und transparent erarbeiten lassen – mithilfe des Generalstabs. Tanner hält sich stattdessen lieber an die selbstgebastelten Papiere und spricht nun von einem "Weg des Bundesheeres ins 21. Jahrhundert". Sie versucht die Katastrophenhilfe, ABC-Abwehr und die Cyber-Abwehr als neue Kreation hinzustellen. Man darf schon gespannt sein auf ihre diesbezüglichen Investitionen. Kosten dürfen Beschaffungen oder Maßnahmen nämlich möglichst nichts – weder finanziell noch politisch. Das sieht man zum Beispiel an der Miliz – die Tanner gerne lobend hervorhebt. Aber: Eine verpflichtende Übungsteilnahme, die für die Miliz notwendig wäre – soll es nicht geben. Denn diese ist unbeliebt – und das könnte wiederum ihrer Partei schaden.

Weiterer Schildbürgerstreich

Derweil wird an den Führungsstrukturen im Heer fleißig gebastelt. Hierbei erscheint eine Idee, international betrachtet, besonders skurril: Die Brigadekommanden sollen aufgelöst werden. Das wäre ein weiterer Schildbürgerstreich mit dem Bundesheer. Vergleichen lässt sich das mit einer Spitalsreform, bei der Operationsteams gestrichen werden, die Verwaltung jedoch erweitert.

Im Takt "Zerstörung, akrobatische Erklärung, Zerstörung" könnte bald eine neue extreme Vorführung durch die Ministerin folgen: Turnen am Trapez, gleichzeitiges Jonglieren mit Bällen, Keulen und heißer Luft. Diese Extremübung könnte eine Bruchlandung werden.
(Edmund Entacher, 16.7.2020)