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Jubel im Parlament.

Foto: Foto: REUTERS/RODRIGO GARRIDO

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Innenminister Gonzalo Blumel (rechts) und Finanzminister Ignacio Briones nach der Abstimmungsniederlage.

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Valparaiso – Eine Sofortzahlung von 500.000 Pesos (566 Euro) für Angehörige der chilenischen Mittelklasse war das letzte Angebot des chilenischen Präsidenten Sebastian Piñera, um die drohende Niederlage im Parlament zu verhindern. Dazu versprach er Kreditstundungen, Mietaussetzungen und höhere Stipendien.

Aber trotz der Ankündigungen des Staatschefs stimmten am Mittwochabend 95 Abgeordnete, darunter 13 Mitglieder von Regierungsparteien, für den Gesetzesvorschlag, der es der Bevölkerung ermöglichen soll, bis zu zehn Prozent ihres Pensionsguthabens abzuheben, um die Folgen der Corona-Pandemie abzufangen.

83 Prozent für Auszahlung

Nur dreizehn Abgeordnete stimmten dagegen, 22 enthielten sich der Stimme. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Cadem unterstützen 83 Prozent der Bevölkerung den Entwurf, der Senat soll nächste Woche darüber abstimmen. Im ganzen Land wurde spontan gefeiert, auch im Parlament brach Jubel aus.

Pamela Jiles, Abgeordnete der Humanistischen Partei, kann trotz ihres Gipsfußes ihre Freude über das Abstimmungsergebnis nicht verbergen.

"Der Präsident hat alle Besprechungen mit seinen Koalitionspartnern bis auf weiteres abgesagt, berichtet Aktivist Juan Pablo Orrego im STANDARD-Gespräch. "Es geht mittlerweile nicht mehr darum, ob der Vorschlag sinnvoll ist, sondern nur noch um politische Rache."

Das zu Zeiten der Pinochet-Diktatur von Präsident Piñeras Bruder José eingeführte Pensionssystem sieht vor, dass jeder Arbeitnehmer zehn Prozent seines Bruttolohns in einen privat geführten Fonds einzahlt. Wenn dieser das Geld verspekuliert, geht dies zulasten des Versicherten, Gewinne streifen hingegen großteils die Fondsbetreiber ein.

Das führt dazu, dass die durchschnittliche ausgezahlte Pension im Jahr 2018 für Männer lediglich 150.000 Pesos (167 Euro) betrug, für Frauen waren es nur 110.000 Pesos (122 Euro), ein Drittel des Mindestlohns. Viele Pensionisten sind deswegen auf die Unterstützung Angehöriger angewiesen oder müssen betteln, die Selbstmordrate ist in der Altersgruppe ab 70 am höchsten. (Bert Eder, 16.7.2020)