Nur mit Massentests können Staaten aus der Corona-Krise herauskommen, glaubt Paul Romer.

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Der US-Ökonom, der derzeit an der New York University unterrichtet, erhielt 2018 den Wirtschaftsnobelpreis für seine Theorien über Wirtschaftswachstum.

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Ausgangsbeschränkungen, Herunterfahren der Wirtschaft, Maskenpflicht, Contact-Tracing oder Appelle an die Eigenverantwortung – all diese Strategien werden seit Beginn der Covid-19-Pandemie weltweit angewandt. Der prominente US-Ökonom Paul Romer trommelt seit Monaten für einen anderen Weg: Nur wenn die gesamte Bevölkerung regelmäßig getestet wird, kann sich die Wirtschaft vom Corona-Schock erholen und die Gesellschaft zur Normalität zurückkehren.

Dafür müssten Staaten viel mehr Geld in die Hand nehmen, als sie es heute tun, sagte der Träger des Wirtschaftsnobelpreises 2018 in einem Zoom-Interview mit dem STANDARD und anderen ausgewählten Journalisten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. "Die wirtschaftlichen Kosten der Pandemie sind gewaltig und viel höher als das, was umfassende und regelmäßige Tests kosten würden." Wie oft getestet werden müsse, sei offen und müsse aufgrund von wissenschaftlichen Erfahrungswerten entschieden werden.

Infizierte gezielt isolieren

Romer, der ihm Rahmen des Vienna Behavioral Economic Network sprach, verweist auf das Beispiel der Region Wuhan, des Ausgangspunkts des Virus, wo nach einem Wiederaufflammen im Mai elf Millionen Menschen getestet und dabei 300 Infektionen ohne Symptome entdeckt wurden. Dies müsse nun auf nationaler Ebene geschehen, vor allem in den USA, wo das Virus sich besonders rasch ausbreitet.

"Wir müssen hier neue Wege einschlagen und die Zahl der Tests massiv erhöhen", betont Romer, der sich seit Februar ausschließlich mit diesem Thema beschäftigt. Statt die ganze Bevölkerung einzuschränken, könne man dann gezielt die Infizierten isolieren.

Menschen brauchen Sicherheit

Anhaltende Lockdowns würden die Wirtschaft zerstören und langfristig nichts bringen, weil die Infektionen jederzeit wieder zurückkehren können. Nur wenn die Menschen darauf vertrauen können, dass sie sich am Arbeitsplatz, in Geschäften oder in Restaurants nicht anstecken, wären sie wieder bereit, ohne Hemmungen hinauszugehen. Vor allem die Wiedereröffnung von Schulen sei dringend notwendig, weil sonst eine ganze Generation von Kindern und Jugendlichen unwiederbringlichen Schaden erleiden würde.

Contact-Tracing sei noch schwieriger als Dauertesten, glaubt Romer, und funktioniere nur bei geringen Infektionszahlen und in Gesellschaften mit hohem Zusammenhalt; und digitale Hilfsmittel wie Corona-Apps "waren von Anfang an zum Scheitern verurteilt", weil die Menschen Sorge um ihre Privatsphäre hätten.

Demokratische Regierungen könnten niemanden zum Testen zwingen, aber den Zugang zu Schulen, Geschäften oder Restaurants und Bars davon abhängig machen, betont Romer. "Der Staat sollte signalisieren: Wer seinen Beitrag für das Gemeinwohl nicht leistet, wer sich nicht testen oder impfen lässt, der wird von gesellschaftlichen Leistungen ausgeschlossen." (Eric Frey, 16.7.2020)