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Tiktoks Verbindungen nach China über seine Mutterfirma könnten das Netzwerk in den USA bald in Schwierigkeiten bringen.

Foto: Reuters

Tiktok ist eine der derzeit populärsten Social Apps. Millionen vorwiegend junger Menschen präsentieren sich tanzend, gestikulierend oder anderweitig kreativ mit ihrem Handy. Doch in den vergangenen Monaten hat sich auch die Skepsis gemehrt. Es gibt Sicherheitsbedenken und den Betreibern wurde vorgeworfen, sich auch in Moderationsfragen vom chinesischen Mutterkonzern Bytedance fernsteuern zu lassen.

In Indien wurde Tiktok gemeinsam mit einer Reihe von anderen chinesischen Apps vor kurzem verboten. Seitens der US-Regierung hatte man bekannt gegeben, sich die Situation ansehen zu wollen, allerdings ohne Zeitvorgabe für etwaige Beschlüsse. Nun reagiert Tiktok, um drohenden Sanktionen auf seinem bedeutendsten Markt entgegen zu wirken. Und zwar mit massiven Lobbying-Anstrengungen, berichtet die New York Times.

Verzweiflung

Geradezu verzweifelt würde man nun versuchen, Abgeordnete davon zu überzeugen, dass man sich den USA und nicht China verpflichtet fühle. Hatte man vor einem Jahr noch praktisch keinen Vertreter der eigenen Interessen in Washington, so hat man sich mittlerweile eine kleine "Lobbyistenarmee" aus 35 Personen angeheuert. Eine davon soll gute Verbindungen zu US-Präsident Trump persönlich haben. Zudem befinden sich ehemalige Berater für demokratische und republikanische Politiker darunter.

Gleich mehrere Stellen untersuchen Tiktok derzeit. So läuft im Hinblick auf nationale Sicherheit eine Evaluierung des Kaufs der App Musical.ly durch Bytedance, aus dem Schließlich Tiktok wurde. Das Komitee für ausländische Investitionen will herausfinden, ob auf diesem Wege sensible Daten in die Hände der chinesischen Regierung gefallen sein könnten, darunter etwa eine Vielzahl an Videos, die sich für das Trainieren von Gesichtserkennungssoftware nutzen lassen könnten.

Laut Mark Meadows, dem Stabschef des Weißen Hauses, befassen sich auch andere Mitglieder der Regierung mit Risiken in Verbindung mit Tiktok, aber auch anderen chinesischen Apps wie Wechat.

50 Termine

Die Interessensvertreter des Unternehmens haben in den letzten drei Monaten mindestens 50 Termine mit Abgeordneten und Kongressmitarbeitern wahrgenommen. Mit ihren Präsentationen wollen sie darlegen, dass Tiktok selbst nicht in China tätig ist und die Führungskräfte mit großer Mehrheit aus den USA kommen und auch dort wohnen. Dazu versucht man auch zu vermitteln, dass die App hauptsächlich zur Unterhaltung dient und nicht für Inhalte, die interessant für Überwachung wären.

Das Unternehmen hat zudem sein Büro aus Hongkong abgezogen, nachdem die chinesische Regierung neue Sicherheitsgesetze erlassen hat, die international stark kritisiert werden. Selbst die Einrichtung eines eigenen weltweiten Hauptquartiers soll im Gespräch sein.

Der Erfolg scheint überschaubar zu sein. So erklärte Marco Rubio, republikanischer Senator aus Florida, etwa nach einem solchen Treffen, dass widersprüchliche Informationen über den Speicherort von Nutzerdaten dargeboten worden wären und viele Fragen nicht ausreichend geklärt worden seien. Das Unternehmen schulde immer noch eine "echte Erklärung" darüber, wie es seine Daten schütze und wie viele Informationen bei Chinas kommunistischer Partei landen.

Sorgen wegen möglichen Wechat-Verbots

Die Situation sorgt für gewisse Sorgen bei Sino-Amerikanern, also Amerikanern, die aus China in die Vereinigten Staaten migriert sind oder einen chinesischen Familienhintergrund haben. Sie bangen vor allem um die Verfügbarkeit von Wechat. Der vom IT-Riesen Tencent betriebene Messenger hat in China die Beliebtheit, die Whatsapp in vielen anderen Ländern genießt. Es ist zudem eine der wenigen Kommunikationstools, die sowohl in westlichen Ländern heruntergeladen werden können und gleichzeitig in China nicht verboten sind.

Wechat genießt in der Community entsprechend große Verbreitung. Und mitunter verwenden auch Händler sie, um Kunden zu erreichen. Ein Verbot könnte die Kommunikation mit Familie und Freunden deutlich erschweren, schreibt Abacus News.

Zurück hinter die große Firewall

"Bisher waren wir es, die die Mauer übersprungen haben", erklärt dazu ein Redakteur von College Daily, einem an im Ausland studierende Chinesen gerichtetes Onlinemedium, und meint damit die Überwindung von Chinas Internetzensur, die man auch als "große Firewall" kennt. "Wenn nun Wechat in den USA gesperrt wird, müssen viele Chinesen in den USA plötzlich zurück hinter die Mauer springen."

Ein sino-kanadischer Manager eines Gaming-Startups in den USA ist der Ansicht, dass ein solches Verbot dem Ruf der USA "in Sachen Internetfreiheit und Rassismus" einen großen Schlag versetzen würde. "Viele Leute, die ich kennen, machen sich immer mehr über die Unberechenbarkeit und Unverlässlichkeit der USA lustig", sagt er. Dies würde sich dann erst recht weiter fortsetzen. (gpi, 17.07.2020)