An diesem Wochenende treffen die 27 Staats- und Regierungschefs der EU aufeinander um eine Einigung beim langfristigen Budgetrahmen sowie "Wiederaufbaufonds" zu finden.

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Bei EU-Gipfel wollen die 27 Staats- und Regierungschefs versuchen, sowohl beim langfristigen Budgetrahmen der Union bis 2027 als auch beim "Wiederaufbaufonds" zu einer Einigung zu finden. Wieder einmal, muss man sofort kritisch dazusagen.

Denn es ist schon der dritte Anlauf, den sie nehmen, um die langfristige Finanzierung der Gemeinschaft zu sichern. Global wichtig, es geht um die Bewältigung der Folgen des Klimawandels, der Digitalisierung, der Migrationsströme unter anderem. Allein das erfordert riesige Mittel, gemeinsame Anstrengungen.

Ende Februar hatte Charles Michel deshalb einen Sondergipfel einberufen. Die Corona-Krise war gerade noch nicht in Europa angekommen, die Wirtschaft brummte. Der Ständige Präsident des Europäischen Rates wollte den präzise vorbereiteten EU-Budgetrahmen, mit dem sich schon Bundeskanzler Sebastian Kurz während des türkis-blauen EU-Vorsitzes 2018 intensiv beschäftigt hatte, rasch unter Dach und Fach bringen. Gut gedacht.

Beschluss scheiterte

Aber die Staats- und Regierungschefs haben – eitel auf nationale Vorteile bedacht – diese Chance verpasst. Wegen läppischer 40 Milliarden Euro Differenz, verteilt auf sieben Jahre, scheiterte ein Beschluss.

Ein fataler Fehler. Denn dann schlug nicht nur das Coronavirus in allen EU-Staaten mit Wucht zu, tötete zigtausend EU-Bürger. Die Wirtschaft stürzte ab, in traditionell schwächeren Mitgliedstaaten besonders stark. Die einzelnen Regierungen, zu Hause unter Druck, verkeilten sich noch mehr, anstatt beherzt zuzupacken.

Die EU-Kommission legte den "Wiederaufbauplan" vor, den sie mit 750 Milliarden Euro dotierte und dem regulären EU-Budgetrahmen verband. Bald war klar, dass der Binnenmarkt, gar die EU zusammenbrechen könnte, wenn nicht rasch gehandelt wird.

Charakter von Obstruktion

Was taten die Regierungschefs? Richtig. Sie debattieren seit zwei Monaten über all diese Pläne und Details, scheiterten im Juni mangels Einstimmigkeit erneut an einer Entscheidung. Seither jagt ein Einwand aus den Hauptstädten den nächsten, erklären die Staatenlenker einander praktisch täglich, warum das Budgetpaket so sicher nicht gehe. Besonders hartnäckig im Schlechtreden tun sich dabei die "sparsamen vier" Nettozahlerländer hervor, neben Österreich auch Schweden, Dänemark und die Niederlande. Ohne Zweifel sind viele ihrer Bedenken legitim, auch in der Sache gerechtfertigt. Und es muss auch wohlhabenden kleinen Staaten erlaubt sein, ihre eigenen Interessen mit Nachdruck zu verteidigen. Aber inzwischen nimmt das Ganze den Charakter von Obstruktion an, wenn man nicht aufpasst.

Scheitern die Regierungschefs wieder am Budget, wird es kritisch. Das Vertrauen in Europa nähme weiter ab. Das sollte sich Kurz als Kanzler eines Landes gut überlegen. Es profitiert vom "Modernisierungspaket" mit am meisten, indirekt, wie Haushaltskommissar Johannes Hahn im STANDARD vorrechnete. Ein Zuckerl namens Beitragsrabatt von 240 Millionen Euro jährlich gibt es obendrauf.

Österreich hat durch Ostöffnung, EU-Beitritt, Euro seit 1989 seinen Wohlstand stark vermehren können, liegt im Zentrum Europas. Offenheit macht in diesem Fall reicher. Es gibt keinen Grund für das Alpenland, in der EU die kleine Diva zu spielen. Der Regierungschef sollte eine Schlüsselrolle beim Zusammenführen der Partner spielen, auch wegen Italien. (Thomas Mayer, 17.7.2020)