Gähnende Leere herrscht in einigen Clubs, Bars und Discos. Während Karaokefans noch auf den ersten Clubabend warten müssen, wird außerhalb der Gastro zum Ärger der Lokalbetreiber gefeiert.

Foto: Reiner Riedler

Fast jeden Tag entsteht ein neuer Cluster, die Corona-Infektionszahlen steigen wieder langsam an. Dass unter diesen Umständen die Sperrstunde für die Clubs und Discos nicht nach hinten verschoben wird, ist auch für den Sprecher der Nachtgastronomie, Stefan Ratzenberger, "aus gesundheitlicher Sicht nachvollziehbar".

"Was wir aber nicht verstehen, ist, dass nicht aktiv gegen wilde, illegale Partys in ganz Österreich vorgegangen wird", ärgert sich Ratzenberger. Es werde mit zweierlei Maß gemessen: Die Lokalbetreiber, die den Jugendschutz und alle Auflagen einhalten, hätten geschlossen, aber "jeder kann irgendwo was organisieren". In jeder Stadt, fast jeden Tag würden Feierlichkeiten stattfinden, ob in Wien am Donaukanal, im Stadtpark, am Schwedenplatz oder auch am Rudolfskai in Salzburg. Dort werde Alkohol verkauft und teils große Boxen aufgestellt.

"Das muss exekutiert und kontrolliert werden. 4.000 Leute am Donaukanal um drei Uhr morgens fallen auf", betont der Sprecher der Nachtgastronomie. Er sieht Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) in der Pflicht, gegen die illegalen Veranstaltungen vorzugehen.

Finanzpaket für 600 Lokale

Gleichzeitig gebe es bis heute kein Finanzpaket für jene Lokale, die noch immer komplett geschlossen haben, weil sie als Diskothek normalerweise erst um 22 Uhr öffnen. Das betreffe rund 20 Prozent der gesamten Nachtgastronomie, bis zu 600 Lokale in Österreich. Für sie brauche es einen Fixkostenzuschuss von 100 Prozent, fordert Ratzenberger. Ansonsten würden viele Lokale überhaupt nicht mehr aufsperren.

Ein gutes Einvernehmen gebe es hingegen mit dem Gesundheits- und dem Tourismusministerium. Bei gemeinsamen Gesprächen sei ein Fahrplan zur Wiedereröffnung entwickelt worden. Eigentlich wurden der Nachtgastronomie eine Lockerung der Maßnahmen und eine Verlängerung der Sperrstunde bis vier Uhr ab dem 1. August in Aussicht gestellt. Dass der Tag der Lockerungen vorerst nach hinten verschoben wird, sei besprochen worden, sagt Ratzenberger.

Vom Gesundheitsministerium heißt es, dass die "derzeitige epidemiologische Lage in Österreich weitere Öffnungsschritte aktuell nicht zulässt". In zwei Wochen soll die Situation neu bewertet werden. Ende Juli wird entschieden, wann die Nachtlokale wieder aufsperren können.

ÖBB kontrolliert Masken

Mit dem Auftreten neuer Cluster rückt auch der Mund-Nasen-Schutz wieder in den Vordergrund. Die ÖBB haben angekündigt, ab nächster Woche in Zügen die Maskenpflicht zu kontrollieren. Trägt ein Fahrgast keinen Mund-Nasen-Schutz, muss er mit einer Geldstrafe von 40 Euro rechnen. Wer der Aufforderung des Zugpersonals nicht nachkommt und keine Maske trägt, kann zudem des Zuges verwiesen werden. Die Maskenpflicht ist nun Teil der Beförderungsbedingungen.

"Freiwillig Maske tragen funktioniert derzeit nicht, daher muss es verpflichtend sein", hieß es am Donnerstag auch von Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres. Das sehe man etwa in Supermärkten, wo derzeit viele Menschen keinen Mund-Nasen-Schutz mehr tragen. In geschlossenen Räumen, wo viel gesprochen oder gesungen werde, komme es ohne Maske schnell zu vielen Ansteckungen, wenn jemand infiziert ist, so Szekeres. Er konkretisiert: Neben Supermärkten und Geschäften sei die Maskenpflicht auch in der Gastronomie sinnvoll – für das Personal generell und für die Gäste, wenn sie nicht am Tisch sitzen.

Um ein Ansteigen der Infektionszahlen im Herbst zu verhindern, verweist die Ärztekammer auch auf weitere Maßnahmen: Neben der Abstandsregel und den bekannten Hygienemaßnahmen sollte jeder daheimbleiben, der unter Symptomen wie Husten oder Fieber leidet. Selbst wenn diese in der kalten Jahreszeit häufiger auftreten und auch andere Erkältungskrankheiten die Ursache sein können. "Wer krank ist, sollte immer zuhause bleiben", so Szekeres – und von dort aus die Gesundheitshotline 1450 anrufen.

Telefonische Terminveinbarung

Zudem rät Szekeres, Termine in Arztpraxen und Ambulanzen telefonisch zu vereinbaren sowie die Corona-App zu verwenden. Die Test-Kapazitäten im Land hält er für ausreichend und er ist optimistisch, dass bis nächstes Jahr eine Impfung und Therapien gegen Covid-19 gefunden werden.

Obwohl die Situation um die Ausrüstung mit Schutzkleidung sich derzeit entspannt habe, appelliert die Ärztekammer, gerade jetzt österreichweit Lager anzulegen und sich nicht nur für ein weiteres Ansteigen der Covid-Fälle zu rüsten sondern auch für zukünftige Pandemien.

Insgesamt sei es jetzt an der Zeit, Defizite im Krisenmanagement zu erkennen und daraus zu lernen. "Wir sollten uns nicht zurücklehnen, sondern Covid-19 auch nützen, um dazuzulernen und für die Zukunft besser gerüstet zu sein", sagt Herwig Lindner, Infektiologe und Internist in der Steiermark. Die Abhängigkeit in der Versorgung mit Medikamenten und Medizinprodukten von Billiglohnländern in Asien sei eine der schmerzlichsten Erkenntnisse dieser Pandemie gewesen. "Die EU muss die Antibiotika-Produktion zurück nach Österreich holen", nennt Lindner ein Beispiel. Dennoch ist er zuversichtlich: "Unser Anspruch muss sein, das Virus zu besiegen. Natürlich müssen wir, wie viele Politiker derzeit betonen, lernen, damit zu leben – aber nur für eine bestimmte Zeit." (Stefanie Ruep, Bernadette Redl, 16.7.2020)