Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) zum Tragen der Maske: Momentan sei eine bundesweite Pflicht nur dann vorgesehen, falls die Corona-Fälle über regionale Cluster hinaus stark steigen. Vorläufig empfiehlt der Gesundheitsminister, "überall dort, wo es eng wird, eine Maske zu tragen."

Foto: AFP/JOE KLAMAR

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) glaubt eher nicht an eine rasche Wiedereinführung der bundesweiten Maskenpflicht.

Foto: APA / ROBERT JAEGER

Am Sonntag soll eine Entscheidung fallen: Maskenpflicht ja oder nein.

Foto: imago images / Michael Weber

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die WHO meldete einen Rekordanstieg bei den weltweiten Corona-Infektionen: Fast 238.000 neue Erkrankungen wurden in den letzten 24 Stunden registriert.
  • Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kündigt eine Entscheidung zur möglichen zweiten Maskenpflicht für Sonntag an.
  • Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) denkt über eine "Teilamnestie" bei den Corona-Strafen nach. Eine wie von der Opposition geforderte Generalamnestie weist er als "paradox" zurück.
  • Österreichweit gab es 169 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Gesundheitsminister Rudi Anschober kündigt regionale Corona-Leitlinien an. Ein Erlass ist geplant: Zwischen Symptommeldung und Corona-Test-Ergebnis sollen maximal 48 Stunden vergehen. Insgesamt umfasst der Aktionsplan der Regierung17 Punkte.
  • In den niederösterreichischen Coronavirus-Clustern im Umfeld der "Pfingstkirche Gemeinde Gottes" und des Schlachtbetriebs in Eggenburg gibt es weitere Erkrankungen.
  • In den Bussen des Verkehrsverbunds Vorarlberg sollen Maskenverweigerer zukünftig eine Geldstrafe bezahlen müssen.
  • Erneuter Rekord an Neuinfektionen in den USA – 77.638 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Präsident Donald Trump erwägt dennoch keine nationale Maskenpflicht.
  • Indien meldet nach den USA und Brasilien als drittes Land mehr als eine Million festgestellte Corona-Infektionen.
  • Mehr als zwei Millionen nachweisliche Infektionen in Brasilien. Die Dunkelziffer dürfte laut Experten aber deutlich höher sein.

WHO meldet neuen Rekordanstieg

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) meldet einen neuen Rekordanstieg bei den Corona-Infektionen: In den vergangenen 24 Stunden seien weltweit fast 238.000 neue Erkrankungen registriert worden. Die bisher größte Zahl von Neu-Infektionen binnen eines Tages hatte die UNO-Gesundheitsorganisation am Sonntag mit gut 230.000 Fällen verzeichnet.

Zuletzt habe die Zahl der neu registrierten Erkrankungen vor allem in den USA, Brasilien, Indien und Südafrika zugenommen, so die WHO. Die Zahl der Todesfälle bleibe derzeit dagegen konstant bei durchschnittlich rund 5.000 täglich.

Kurz kündigt Entscheidung zu Maskenpflicht für Sonntag an

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat angesichts steigender Zahlen von Corona-Infizierten für den kommenden Sonntag eine Entscheidung über eine etwaige Maskenpflicht angekündigt. In der "ZiB2" teilte Kurz mit, dass er an diesem Tag ein Gespräch mit dem Vizekanzler und den zuständigen Ministern führen werde. Bis Sonntag werde man die Zahlen sehr genau beobachten und dann eine Entscheidung treffen.

Die Maskenpflicht sei "definitiv eine Möglichkeit, etwas das notwendig werden kann", sagte der Bundeskanzler. Eine Maskenpflicht alleine würde aber nicht ausreichen, darüber hinaus brauche es auch ein zielgerichtetes Vorgehen in den Bezirken.

Kogler kann sich "Teilamnestie" für Corona-Strafen vorstellen

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) kommt der Opposition bezüglich deren Forderung nach einer Generalamnestie bei Coronastrafen einen Schritt entgegen. In einem Interview mit den "Vorarlberger Nachrichten" kann er sich "eine Art Teilamnestie" vorstellen. Das sei derzeit aber noch kein Thema.

Eine Generalamnestie wäre für Kogler "paradox", weil man jetzt auch über eine neue Maskenpflicht rede. Der Vizekanzler ist "schon dafür, dass Strafen refundiert werden, wenn die Exekutive zu Unrecht Mandate verhängt hat. Zunächst werden sich die Gerichte aber mit Einzelfällen befassen müssen. Wenn sich dort rausstellt, dass bestimmte Kategorien wackelig sind und sich ein Muster ergibt, kann man eine Art Teilamnestie machen. Davon sind wir aber noch weit entfernt", betont Kogler. Er vergleicht das "mit Radaranlagen, die unscharf sind. Nur weil der Toleranzbereich einmal größer und einmal kleiner ist, werden wir nicht alle Radarstrafen für Raser erlassen."

Steigende Zahlen in Österreich – Anschober kündigte 17-Punkte-Aktionsplan an

In Österreich ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen wieder gestiegen. Innerhalb der vergangenen 24 Stunden wurden österreichweit 169 Neuinfektionen gemeldet. Den größten Anstieg gab es in Oberösterreich mit 60 neuen Infektionen, gefolgt von Wien (57) und Niederösterreich (38).

Dass es nach der schrittweisen Öffnung zu regionalen Ausbrüchen kommen könnte, sei "klar" gewesen, sagte Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) im Ö1-"Morgenjournal". Den Anstieg schiebt er zum Teil auf eine Fehleinschätzung der Bevölkerung zurück. "Wir hatten super Zahlen", so Anschober. Die Pandemie sei deshalb aber keineswegs "erledigt". Man müsse derzeit davon ausgehen, dass die Corona-Infektionen weltweit steigen werden, der Höhepunkt sei noch nicht erreicht. Besorgniserregend sei der starke Anstieg in Israel oder Singapur, sagte der Minister.

Die Kritik an den unterschiedlichen Maskenregelungen in den Bundesländern wies der grüne Politiker zurück, die Situation sei gut überschaubar. Die bisherigen Öffnungsschritte hätten sich aus Sicht des Gesundheitsministers jedenfalls bewährt. Anschober kündigte darüber hinaus einen 17-Punkte-Aktionsplan an, von dem ein Teil schon im Sommer im Ministerrat beschlossen werden soll. Im Mittelpunkt steht das geplante Ampelsystem, das mehr Transparenz bei den Maßnahmen bringen soll. Derzeit würden die Leitlinien ausgearbeitet und der Frage nachgegangen werden, ob eine Begrenzung auf Bezirksebene sinnvoll sei. Die jeweilige Ampelfarbe in den Regionen werde sich jedenfalls nicht nur an Infektionszahlen orientieren, ließ Anschober wissen. Insgesamt gebe es vier Indikatoren, darunter etwa die Auslastung der Spitalskapazitäten.

Gesundheitsminister Anschober und Virologin Puchhammer-Stöckl gaben am Freitag eine Pressekonferenz.
Foto: APA / HELMUT FOHRINGER

Als Teil des Aktionsplans solle auch die Hotline 1450 evaluiert werden. Unklar ist offenbar nach wie vor, wie mit Verdachtsfällen in Kindergärten und Schulen langfristig umgegangen wird.

Auch Tests sollen künftig schneller abgehandelt werden. Anschober kündigte einen Erlass an, der den Zeitraum zwischen Symptommeldung und Testergebnis auf maximal 48 Stunden reduzieren soll.

Weitere Fälle in niederösterreichischen Clustern

In den beiden niederösterreichischen Coronavirus-Clustern sind am Freitag weitere Erkrankungen verzeichnet worden. Die Zahl der Infizierten im Zusammenhang mit der Wiener Neustädter "Pfingstkirche Gemeinde Gottes" stieg von 22 auf 24. Im Hotspot um einen Schlachtbetrieb in Eggenburg (Bezirk Horn) gab es nach Angaben aus dem Büro von Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) drei Folgefälle. Die drei positiven Testungen seien in Familien von Schlachtbetrieb-Mitarbeitern registriert worden. Hinsichtlich der Beschäftigten selbst blieb es vorerst bei 38 Covid-19-Patienten.

Die Ausweitung der Maskenpflicht ist in Niederösterreich trotz der Cluster kein Thema. Königsberger-Ludwig und Sanitätsdirektorin Irmgard Lechner verwiesen in diesem Zusammenhang am Freitag auf "das gut funktionierende Contact Tracing" mit dem bisher alle Hotspots rasch eingegrenzt worden seien.

Geldstrafen für Maskenverweigerer in Vorarlberger Bussen

In den Bussen des Verkehrsverbunds Vorarlberg (VVV) sollen Maskenverweigerer – analog zur Vorgangsweise in den Zügen – künftig eine Geldstrafe bezahlen müssen. Entsprechende Abklärungen seien im Gang, informierte am Freitag Mobilitätslandesrat Johannes Rauch (Grüne). Weil die Trage-Bereitschaft abgenommen habe, werden auch "Sanktionsmöglichkeiten für Mobilbegleiter notwendig", so Rauch.

Sowohl die Zahl der Maskenverweigerer als auch deren Aggressivität habe zuletzt leider zugenommen, sagten Rauch und VVV-Geschäftsführer Christian Hillbrand. Bisher habe man auf die Eigenverantwortung der Fahrgäste gesetzt, nach gutem Beginn habe diese Herangehensweise in der jüngsten Vergangenheit aber nicht mehr gut funktioniert, bedauerte Rauch.

Trump erwägt keine nationale Maskenpflicht

Die USA haben am dritten Tag in Folge einen Rekordanstieg bei den Coronavirus-Infektionen verzeichnet. Binnen 24 Stunden wurden 77.638 Neuinfektionen registriert, wie aus einer Zählung der Johns Hopkins Universität in Baltimore am Freitagabend (Ortszeit) hervorgeht.

US-Präsident Donald Trump erwägt dennoch keine nationale Maskenpflicht. Auf eine entsprechende Frage in einem Interview mit "Fox News" antwortete Trump: "Nein, Ich möchte, dass die Menschen gewisse Freiheiten haben."

Der amerikanische Seuchenexperte Anthony Fauci hatte vor kurzem führende Politiker einzelner Bundesstaaten und Städte aufgefordert, ihre Bürger so nachdrücklich wie möglich zum Tragen von Masken zu drängen. Trotz Rekord-Neuinfektionen finden die USA beim Mund- und Nasenschutz bisher keine gemeinsame Linie. Derzeit gilt in etwa der Hälfte der Bundesstaaten eine Maskenpflicht, und innerhalb der Bundesstaaten gibt es Streit darüber. Auch Hollywood-Stars riefen in einer Kampagne die Bürger zum Tragen von Masken auf.

In einer Strafanstalt in Seagoville/Texas haben sich einem Bericht des Senders NBC zufolge 1.072 von insgesamt 1.798 Insassen mit dem Coronavirus infiziert. Auch zehn Angehörige des Wachpersonals seien positiv getestet worden.

Mit einer TV-Kampagne versuchen Hollywoodstars, die US-Bürger in Corona-Zeiten zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zu bewegen. "Wenn Sie eine Maske tragen, haben Sie meinen Respekt", sagt beispielsweise Schauspieler Morgan Freeman in einem der von Oscar-Preisträgerin Kathryn Bigelow gedrehten halbminütigen TV-Spots.
Governor Andrew M. Cuomo

Indien drittes Land mit mehr als einer Million Corona-Fällen

Indien meldet nach den USA und Brasilien als drittes Land mehr als eine Million festgestellte Corona-Infektionen. Das Virus hat sich in den vergangenen Wochen rasch von den Großstädten aufs Land und in kleinere Städte verbreitet. Am Freitag meldeten die indischen Behörden 34.956 Neuinfektionen. Damit stieg die Zahl der nachgewiesenen Fälle binnen 24 Stunden auf 1.003.832. Bislang starben nach offiziellen Angaben 25.602 Menschen an oder mit dem Virus. Experten befürchten, dass Indien der Höhepunkt noch bevorsteht. Mit einer Million Ansteckungsfällen stehe das Land gemessen an seinen 1,3 Milliarden Einwohnern noch vergleichsweise gut da, sagen Experten.

Mehr als zwei Millionen Infizierte in Brasilien

Mehr als zwei Millionen Menschen haben sich in Brasilien seit Beginn der Pandemie nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Das ging aus den Daten des Gesundheitsministeriums in Brasilia am Donnerstag (Ortszeit) hervor. Im größten und bevölkerungsreichsten Land Lateinamerikas starben bisher über 76.000 Menschen in Verbindung mit der Lungenkrankheit.

Die tatsächlichen Zahlen in Brasilien dürften aber noch weit höher liegen, auch weil das Land sehr wenig testet. Wissenschaftliche Studien und Schätzungen von Organisationen legen nahe, dass sich mindestens siebenmal so viele Menschen infiziert haben wie bisher bekannt und doppelt so viele wie erfasst gestorben sind. Brasilien hat 210 Millionen Einwohner. (red, 17.7.2020)