Angesichts ihrer umstrittenen Bundesheerreform samt aufgeschobener Entscheidung zur Luftraumüberwachung kommt mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) auch zunehmend ihr Beraterstab ins Gerede. Zuletzt befand Ex-Generalstabschef Edmund Entacher im STANDARD: Nicht das militärische Spitzenpersonal "erarbeitete ihr Konzeptpapier und ihre 'Kommunikationstrategie' fürs Bundesheer", sondern "ihr unbedarftes Büro" unter der Führung ihres Generalsekretärs Dieter Kandlhofer.

Mit ihrer umstrittenen Amtsführung ist auch ihr Beraterstab im Gerede: Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) bei einem ihrer jetzt schon legendären Auftritte.
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Fest steht, dass Kandlhofer, einst als Polizist im ersten Wiener Bezirk auf Streife, später als studierter Jurist als Generalsekretär im Kanzleramt unter der ersten Regentschaft von Sebastian Kurz (ÖVP) tätig, schon bisher mit türkisen Umbauten für Aufregung gesorgt hat – etwa bei der Statistik Austria, im Zuge derer die Opposition auf die Barrikaden stieg, weil das Amt der Republik, das über einen enormen wissenschaftlichen Datenpool verfügt, so der "Message-Control" unterworfen werde.

Als mächtiger Mann im Hintergrund war Kandlhofer in seiner früheren Funktion auch für die Angelegenheiten von Kanzleramtsminister Gernot Blümel, mittlerweile Chef im Finanzressort, sowie von Frauen- und Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (beide ebenfalls ÖVP) zuständig. Für Aufruhr sorgte im vergangenen Frühjahr auch, dass Kurz und Bogner-Strauß mit ihrer Regierungskollegin Elisabeth Köstinger am 1. Mai zu einem 231.000 teuren "Familienfest" luden – koordiniert wurde die Veranstaltung von der Firma Media Contacta, die einen Subauftrag an ein Unternehmen vergab, an dem Kandlhofer als Generalsekretär im Kanzleramt beteiligt war.

Kurz' Vertraute in Tanners Ressort

Die FPÖ will nun mit einer parlamentarischen Anfrage Licht in die aktuellen Vorgänge im Verteidigungsressort bringen, denn Hofer, Kickl und Co argwöhnen, dass dort neben Tanner Ex-Polizist Kandlhofer und Katharina Nehammer, als Vizekabinettschefin für strategische Kommunikation zuständig, ganz im Sinne von Kanzler Kurz die Schwächung des Bundesheeres vorantreiben. Nehammer, die nun als engste Mitarbeiterin der Ministerin gilt, arbeitete als PR-Profi schon für Wolfgang Sobotka (ÖVP) als Innenminister und Nationalratspräsident und ist mit dem gleichnamigen Innenminister verheiratet.

Die blaue Anfrage an Ministerin Tanner, provokant übertitelt mit "Sebastian Kurz als geheimer Oberbefehlshaber des Bundesheeres", die dem STANDARD vorliegt, begehrt daher nähere Auskunft über das türkise "Netzwerk" in der Rossauer Kaserne, dem Sitz des Verteidigungsministeriums. Denn mit seiner anvisierten Bundesheerreform, die anfangs gar die Abkehr von der Landesverteidigung als verfassungsrechtlich verankerte Aufgabe des Militärs vorsah, schrammen Kurz' Vertraute "am Rand des demokratischen Modells" entlang, wird kritisiert – und das just seit dem 24. Juni 2020: jenem Tag, an dem Kanzler Kurz im U-Ausschuss rund um Ibiza-Affäre und Casinos-Gate Rede und Antwort stehen sollte.

Ähnlich wie schon Ex-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) konstatiert auch FPÖ-Klubchef Herbert Kickl: "Die Bundesministerin wird von Personen mit militärischem Fach- und Sachverstand weitestgehend abgeschirmt." Tanner selbst hält er wiederum vor, auch als "Schwägerin des wichtigsten Beraters von Kurz", Stefan Steiner, zu agieren – daher sei von ihr nur "absolute Loyalität zu den gegen ein starkes und verteidigungsfähiges Bundesheer gerichteten Plänen der Gruppe um den Kanzler zu erwarten".

Willkürliche Verfügungen

Generalsekretär Kandlhofer wiederum werfen die Freiheitlichen vor, mit einem zwölfseitigen "Visionspapier" die Bundesheerreform eingeleitet zu haben, laut dem ein "konventionell geführter militärischer Angriff" auf die Republik nicht zu erwarten sei – und andernfalls wäre ohnehin "der Schutz über den Nato-Verbund auch für Österreich gewährleistet". Ebenso werde darin "die Gefahr von systemischem Terrorismus" als gering eingestuft – was der Expertise von Ex-Minister Thomas Starlinger vom Vorjahr widerspreche. Damit nicht genug, müssten gemäß "Verfügung" von Generalsekretär Kandlhofer nun auch bereits genehmigte Neuanschaffungen des Bundesheeres bis 2023 einer neuerlichen Prüfung unterzogen werden und seien damit quasi per Weisung "komplett außer Kraft" gesetzt worden.

Und überhaupt, monieren die Blauen, sei Starlingers Kabinettschef Arnold Kammel zwar auch unter Tanner noch in derselben Funktion, allerdings gleichzeitig zum Büroleiter des Generalsekretärs bestellt worden – und damit an die Vorgaben Kandlhofers gebunden, was den Empfehlungen des Rechnungshofs widerspreche. Die FPÖ besteht daher auf eine "detaillierte Auflistung" von Tanner rund um Kandlhofers Weisungen. (Nina Weißensteiner, 20.7.2020)