Das Pflichtpraktikum ermöglicht Schülern in den Sommermonaten Berufserfahrung zu sammeln. Im Lockdown kam das Bangen um den Platz.

Regine Hendrich

Für gut 50.000 Schüler der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen stand im Lockdown auch das tägliche Bangen um den Pflichtpraktikumsplatz auf dem Stundenplan. "Es war Gesprächsthema Nummer eins bei uns in der Klasse. Ich weiß von einigen, dass sie bis in die letzte Schulwoche hinein nicht gewusst haben, ob sie ein Praktikum machen können oder nicht", berichtet die siebzehnjährige Penny. Sie ist Schülerin der Bergheidengasse, einer renommierten Schule für Tourismus und wirtschaftliche Berufe in Wien.

Arbeiterkammer und die Gewerkschaft Vida wollten im Frühjahr helfen und den Schülern die unzähligen Bewerbungsschreiben und Absagen ersparen. Per Presseaussendung wurde an das Bildungsministerium appelliert, die Schüler von der Praktikumspflicht zu befreien, bis die Corona-Krise überstanden sei. Das Ministerium blieb bei seinem Erlass und wies drauf hin, dass das vorgeschriebene Pflichtpraktikum flexibel gehandhabt werden könne. So kann die Dauer verkürzt oder der Einsatzbereich ausgeweitet werden. Das Praktikum in Ausnahmefällen auch entfallen.

Die Direktorin der Bergheidengasse, Anita Petschning, ist erleichtert, dass die Pflichtpraktika der diesjährigen Krise nicht zum Opfer gefallen sind. Schulleitungen hätten schon immer die Möglichkeit gehabt, individuell vorzugehen und Schüler ganz oder teilweise von einem Praktikum zu dispensieren, wie etwa bei schwerer Krankheit. Das gelte jetzt eben auch für die Corona-Zeit. "Alles andere wäre kontraproduktiv gewesen." Es zeige den Schülern, dass es für sie auch in der Krise einen Platz in der Gesellschaft gibt, wo sie mitgestalten können, sagt Petschning.

Praktikum wichtig für Berufseinstieg

Das Praktikum sei etwas Wichtiges, so sieht das auch der Gastronom Fatih Kuzu. Er ist selbst Absolvent der dreijährigen Tourismusschule im 13. Bezirk und betreibt zwei Lokale in Wien. Er nimmt heuer fünf Praktikanten auf, nächste Woche starten sogar drei aus der Bergheidengasse. Kuzu weiß aus eigener Erfahrung, wie unterstützend Praktika für den Arbeitseinstieg sind, deshalb engagiert er sich. Im Gegenzug bekomme er für die Sommermonate Personal vom Fach.

Für Sophie (17), die den Ausbildungsschwerpunkt International Relations in der Bergheidengasse gewählt hat, hat das Praktikum einen weiteren Aspekt: "Ich habe zuvor noch nicht intensiv gearbeitet und dadurch kann ich herausfinden, was ich später mal machen will und was nicht." Sie habe bereits vor dem Lockdown eine Zusage von einem Hotel bekommen, aber dann eine Absage erhalten. Jetzt arbeitet sie in einer Bankfiliale und komme gut zum Einsatz, das sei ihr auch ein Anliegen gewesen. Die Schülerin stehe auch alleine am Infopoint und ist erste Ansprechstelle für Kunden.

Was passiert mit Schülern der Bergheidengasse, die keinen Praktikumsplatz finden? "Wer nachweisen kann, dass er intensiv gesucht hat, sich auch regional flexibel gezeigt hat, was bei den höheren Klassen möglich ist, und sich auch im Juli und August umgesehen hat, wird nicht im Regen stehengelassen." Die Direktorin weiter: "Bewirbt sich jemand nur in Wien oder dreimal hintereinander beim selben Konzern, dann wird es aber schwierig mit dem Verständnis unsererseits." Es werde immer wieder die Empfehlung gegeben, nicht nur an die Stadthotellerie zu denken, die gerade sehr leide, sondern auch an die Gastronomie. Da gäbe es mehr Plätze. Eine Eisdiele zähle auch dazu.

Pflichtpraktikum als Türöffner

Pennys Plan ist es generell gewesen, Berufserfahrungen im Ausland zu sammeln. Das Pflichtpraktikum hat ihr dafür die Tür geöffnet. "Man bekommt leichter einen Platz, wenn man ein Pflichtpraktikum sucht." Beworben hat sie sich bereits vergangenes Jahr im Oktober, als das Pflichtpraktikum in der Schule thematisiert wurde. Sie habe gleich Freunde nach Kontakten gefragt und wurde so auf ein Hotel in der Schweiz aufmerksam. Sie wurde nach ihrer Bewerbung eingeladen, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Sie war dort, alles wurde fixiert. Dann kam Corona und das große Zittern: "Ich habe bis zur letzten Minute nicht gewusst, ob es klappt. Wir waren laufend in Kontakt. Ich habe schon gedacht, dass das nichts mehr wird, weil es auch eine Reisewarnung für die Schweiz gab." Die Schülerin war in dieser Zeit nicht untätig und entwarf einen Plan B: "Einen Praktikumsplatz in Vorarlberg. Ich habe offen gesagt, dass ich bereits eine Zusage aus der Schweiz habe und dass ich, wenn ich fahren kann, diese Stelle annehmen werde."

Am 10. Juni bekam sie grünes Licht aus dem Kanton Zug, und am 16. Juni war sie bereits dort. Sie bleibt bis zum 1. September. Ob es ihr gefällt? "Ja, ursuper!" Schlimm wäre es nicht gewesen, wenn sie kein Praktikum bekommen hätte, aber: "Wir waren ja durch Corona schon so viel zu Hause, mir wäre fad geworden."

Zu Beginn der Krise hätte es schlimmer ausgesehen, als es dann geworden sei, sagt die Direktorin. Viele Schüler seinen laut Petschning unter anderem auch durch Medienberichte über die dramatische Situation bei Praktikumsplätzen verunsichert gewesen. Am Ende des Lockdowns wären einige gehemmt gewesen und hätten gezögert, sich zu bewerben. 80 bis 90 Prozent ihrer Schüler, die ein Pflichtpraktikum gesucht hätten, haben bereits eine Stelle gefunden. Man unterstütze die, die noch suchen, versichert Petschning. Es werden Stellenanzeigen auf der eigenen Schulwebseite veröffentlicht, und die Fachvorstände sind mit Eltern und Schülern in Kontakt, damit man alle noch gut unterbringe. (Stefanie Leschnik, 18. 7. 2020)