Anwalt Ingo Kapsch: Es liege auf der Hand, dass in der Causa "etwas schiefgegangen" sei, wenn bei 800 Millionen Euro Bilanzsumme 400 Millionen Euro fehlten und dabei womöglich mit gefälschten Bankbestätigungen agiert worden sei – es gilt die Unschuldsvermutung.

Foto: APA/ROBERT JAEGER
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Wien/Mattersburg – Zum Bilanzskandal der burgenländischen Commerzialbank Mattersburg zeigt sich der Wiener Anlegeranwalt Ingo Kapsch verwundert darüber, dass die mutmaßlichen Malversationen womöglich mit "gefälschten Bankbestätigungen" so lange gutgegangen sind. So etwas dürfe im Jahr 2020, 2019 oder davor eigentlich nicht mehr funktionieren, meinte der Anwalt am Freitag im Ö1-"Mittagsjournal".

Es liege auf der Hand, dass in der Causa "etwas schiefgegangen" sei, wenn bei 800 Millionen Euro Bilanzsumme 400 Millionen Euro fehlten und dabei womöglich mit gefälschten Bankbestätigungen agiert worden sei – es gilt die Unschuldsvermutung.

"Das müsste eigentlich bei den Abschlussprüfungen auffallen", meinte der Anwalt. Abschlussprüfer seien verpflichtetet, die Bankbestätigungen direkt bei den betreffenden Banken einzuholen. Dazu müssten diese von der Commerzialbank Mattersburg vom Bankgeheimnis entbunden werden. Stelle sich heraus, dass es gar keine Geschäftsbeziehung gebe, "wäre natürlich Feuer am Dach", so der Anwalt von der Kanzlei Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch (HLMK).

Rätsel, Opfer und Täuschung

Eine Vor-Ort-Prüfung der Finanzmarktaufsicht (FMA) habe festgestellt, dass angebliche Kreditnehmer und auch angebliche Bankguthaben gar nicht existiert hätten, so Kapsch. In der Mittags-"ZiB" des ORF erklärte auch FMA-Vorstand Helmut Ettl am Freitag, ein Wirtschaftsprüfer habe die Aufgabe, die anderen Banken entsprechend zu fragen, daher sei es "uns ein Rätsel", warum dem jahrelang nicht nachgegangen worden sei.

Im APA-Gespräch hatte Anwalt Kapsch am Donnerstag auch mögliche Haftungsansprüche gegenüber den Abschlussprüfern angesprochen. Die TPA-Wirtschaftsprüfer selbst, die die Commerzialbank Mattersburg von 2006 bis 2018 geprüft haben, erklärten am Mittwoch, sie seien ihrerseits Opfer von Täuschung und offenkundigem Betrug geworden. Man prüfe selber eine Anzeige gegen die Bankverantwortlichen, hieß es vonseiten der TPA am Donnerstag zur APA.

Eklatante Auffälligkeiten

Anlegerschützer und Bilanzexperte Wilhelm Rasinger meinte am Freitag im "Kurier": "TPA hätte wesentlich kritischer prüfen müssen." Im Abschluss der Bank würden sich schon bei oberflächlicher Betrachtung eklatante Auffälligkeiten zeigen.

In der zuletzt – im August 2019 – hinterlegten Bilanz für das Jahr 2018 seien für das Geschäftsvolumen der Bank sehr hohe Forderungen an andere Kreditinstitute über exakt 315 Millionen Euro ausgewiesen. Die Prüfer hätten sich nicht mit der von der Commerzialbank vorgelegten Saldenliste zufriedengeben dürfen, sondern hätten bei jenen Banken, wo diese Gelder angeblich eingelegt waren, vor Ort nachprüfen müssen, so Rasinger, Vorsitzender des Interessenverband für Anleger (IVA).

Kapsch erklärte zur APA, er würde sich einem Strafverfahren in der Causa Commerzialbank – wie schon in früheren Bank- und Anlegeraffären – im Kundenauftrag als Privatbeteiligter einem Ermittlungsverfahren anschließen. Er habe schon Anfragen dazu. Die Bilanzen der Mattersburger Bank dürften schon länger falsch geführt worden sein. Norbert Wess, der Anwalt von Ex-Bankchef Martin Pucher, wird im "Kurier" so zitiert: "Er (Pucher, Anm.) sagt, dass die Malversationen vor mehr als zehn Jahren begannen." (APA, 17.7.2020)