Besser im Keller lachen als gar nicht: Die US-Band Protomartyr kann ein Lied davon singen. Oder 50.

Domino Records

Ein Gutteil des Erfolgs einer zeitgenössischen Band wie LCD Soundsystem liegt darin begründet, dass sie eine Ästhetik aufgegriffen hat, die dreißig Jahre zuvor mit technisch oft nur unzulänglichen Mitteln und inkompetenten Tontechnikern festgehalten wurde. Da Typen plötzlich Punk- oder New-Wave-Bands aufnahmen, die davor bloß georgelten und geflöteten Prog-Rock abgemischt hatten. Selbst bei Mischpultmeistern konnte das in die Hose gehen.

Die Verbindung verwegener alter Ästhetik mit heutiger Technik, die überzeugt da natürlich mehr. Während das LCD Soundsystem dieses Privileg oft dazu nutzte, ein Feuer unter der Discokugel zu entfachen, kredenzt die Band Protomartyr ihren Sound vornehmlich in schlecht ausgeleuchteten Single-Haushalten, in denen die Sollseite uneinholbar vor der Habenseite liegt. Die Philosophie des realen Pessimismus ist das Setting dieser sich beim Postpunk bedienenden Band.

USA und der Traum

Protomartyr stammen aus Detroit, also aus einer Stadt, die lange für den Niedergang des US-amerikanischen Traums stand. Als Opfer falscher Stadtplanung und eines Wirtschaftsliberalismus, der die Arbeit an Niedriglohnländer auslagerte und die Stadt damit an den Rand des Abgrunds führte – mit all den sozialen Folgen, die das bedeutet. Dort gedeiht die gute Laune nur in schmalen Ritzen.

Nicht sehr heiter

Das nunmehr fünfte Album in acht Jahren ist deshalb wieder keine heitere Arbeit geworden. Doch als Vertreter des Sunny-side-down-Feelings schlägt ihnen kaum jemand gleich die Türe zu. Zumal ihre aus den frühen 1980er-Jahren destillierte Ästhetik eben so viel besser klingt als viele Originale jener Zeit. Zugegeben, diese Behauptung hat natürlich ihre Unschärfen.

Protomartyr - Topic

Doch der düstere Gitarrenlärm, die auf Essensgutscheinen geschriebenen Texte des Joe Casey und die galoppierenden Rhythmen des Schlagzeugs klingen auf Ultimate Success Today einfach fantastisch. Sie verleihen großen Songs wie Modern Business Hymns oder Michigan Hammers enorme Wirkmacht. Und dann ist da noch die gewissermaßen in den Keller singende Stimme von Joe Casey.

Das Schöne sehen

Der Sänger und Blickfang der Band vermag manchen Songs mit seiner Nuancierung eine Erhabenheit zu verleihen, die plötzlich so etwas wie Optimismus versprüht. Es ist jene Art von Optimismus, die Pere Ubu verströmten, als sie Final Solution sangen.

protomartyr

Doch selbst die geplagte Stadt Detroit erlebt in manchen Ortsteilen so etwas wie eine bescheidene Renaissance. Und einem Song wie Bridge & Crown wohnt am Ende genau diese Perspektive inne: Auch einmal das Schöne zu sehen, sei es noch so rar. Dennoch hat man das Album in der Metropole New York aufgenommen, sicher ist sicher. Angereichert um eher artfremde Instrumente wie Saxofon oder ein Violoncello stemmt sich die Band Protomartyr gegen ihren Weltekel.

Zumindest für die Dauer dieses Albums können sie den Umständen wenigstens ein Unentschieden abringen. Ihnen dabei zuzuhören ist ein Vergnügen. Zumindest, wenn man gern im Keller lacht. (Karl Fluch, 18.7.2020)