Sektionschef Pilnacek nutzte seinen Auftritt, um Abgeordnete zu maßregeln

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Die ersten Ausschusswochen haben eines explizit gezeigt: untragbare Zustände in der österreichischen Justiz, also Probleme in und zwischen Strafbehörden, die offenbar jahrelang ignoriert wurden und nun kaum noch in den Griff zu bekommen sind.

Seit Jahren streitet etwa die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) offen mit ihren Vorgesetzten, der Oberstaatsanwaltschaft Wien und Strafsektionschef Christian Pilnacek. Die Mediation, die nach der heimlichen Tonbandaufnahme einer Dienstbesprechung zum Eurofighter-Verfahren vom damaligen Justizminister Josef Moser (ÖPV) angeordnet worden war, hat offenbar nur wenig gefruchtet. Zu tief waren die Gräben, die etwa durch gegenseitige (folgenlose) Anzeigen aufgerissen worden waren. In Erinnerung bleiben Pilnaceks Worte, man möge gewisse Stränge "derschlagen".

Ausdruck der Antipathie sind auch spätabendliche E-Mails zwischen Pilnacek und Johann Fuchs von der Oberstaatsanwaltschaft Wien, in denen sie überlegen, negative Medienarbeit zur WKStA zu betreiben.

Im U-Ausschuss schilderten die Vertreter der Korruptionsstaatsanwaltschaft diverse Vorfälle, die ihre Arbeit in ihren Augen behinderten beziehungsweise verzögerten, ob es nun um Berichtspflichten, Weisungen oder den bereits legendären Streit mit den Kriminalbeamten von der Soko Tape geht.

Politisch hat es die WKStA mit der derzeit stärksten Partei zu tun: Im U-Ausschuss schoss sich der türkise Fraktionsführer Wolfgang Gerstl wiederholt auf die Behörde ein, am Donnerstag regte er schon eine "Reform" an. Außerdem sprach er von "internem Postenschacher", was Kenner der Justiz nicht nachvollziehen können.

Eine andere "Reform" betrifft Pilnacek selbst: Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hat Pilnacek de facto entmachtet. Sie teilt dessen große Sektion, in der Straflegistik und Einzelstrafsachen unter einem Dach sind, auf.

Sektion der Machtanhäufung

Die Sektionen waren 2010 unter Ministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) und ihrem Kabinettschef Georg Krakow (heute Anwalt von Transparancy International) zusammengelegt worden – womit man einen der SPÖ nahestehenden Sektionschef losgeworden war.

Die Folge: Reibungspunkte und Machtanhäufung. Der Sektionschef hat die Fachaufsicht über die Staatsanwälte (Weisungsrecht), ist für die großen Strafsachen zuständig, und er arbeitet in der Legistik mit der Politik zusammen. Compliance-Probleme hat darin aber offenbar keiner der Justizminister nach Bandion-Ortner gesehen, im Gegenteil: Josef Moser machte Pilnacek unter Türkis-Blau sogar noch zum Generalsekretär.

Das erklärt auch, warum sich der machtbewusste Pilnacek mit Beschuldigten traf, etwa in der Causa Casinos, und gern gesehener Gast beim Raiffeisen-Sauschädelessen war. Wer mit Pilnacek reden will, kann sein Glück fast jeden Abend in einem Wiener Nobellokal versuchen. Dort treffen einander gern Sektionschefs. SMS an Pilnacek gab es beispielsweise vom damaligen Finanz-Generalsekretär Thomas Schmid, heute Öbag-Chef, der Pilnacek zu einem "tollen Auftritt" in der ZiB 2 gratuliert hat.

Dort war Pilnacek auch am Donnerstag wieder zu Gast, um seinen eigenen Auftritt im U-Ausschuss zu kommentieren, was wie zuvor im Kurier -Interview zu einem Angriff auf die befragenden Abgeordneten wurde. Stephanie Krisper (Neos) nuschle, Jan Krainer mampfe Semmeln, der U-Ausschuss sei ein "Jammertal".

Mangelnder Respekt

Auch das ist etwas, das die ersten Ausschusssitzungen gezeigt haben: Die geladenen Auskunftspersonen spielen mitunter die falsche Rolle. Auskunftspersonen sind, wie Zeugen vor Gericht, der Wahrheit verpflichtet, ihre Entschlagungsrechte sind klar geregelt. Über ihre Rechte und Pflichten werden sie vor der Befragung vom Verfahrensrichter aufgeklärt. Was aber offenbar fehlt, vor allem bei den bisher befragten regierenden Politikern: das Bewusstsein, dass sie vor dem Ausschuss nicht in ihrer jeweiligen Funktion agieren, also nicht als Bundeskanzler, nicht als Finanzminister – sondern als Staatsbürger wie jeder andere auch, der (auch unangenehme oder unsinnige) Fragen zu beantworten hat.

Nicht von der Regierungsbank, nicht von oben herab ist da Rede und Antwort zu stehen, angesagt wären Respekt für den Parlamentarismus und politische Verantwortung. An diese klare Rollenverteilung hat der Ausschussvorsitzende jedenfalls weder Kanzler Kurz, der im Vorfeld vermeint hatte, er sei als "Gast" im Ausschuss, noch Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP) explizit erinnert.

Öl ins Feuer goss die damalige Verfahrensrichterin Ilse Huber, die sich bei einem ÖVP-Abgeordneten darüber ausließ, dass Mörder vor Gericht besser behandelt werden als Auskunftspersonen von der Opposition. (Renate Graber, Fabian Schmid, 17.7.2020)