Wolfgang Gerstl, ein Penzinger auf Trumps Spuren

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Die Hoffnungen waren groß. Der Ibiza-Ausschuss sollte dazu beitragen, die heimische Politik sauberer und transparenter zu machen. Doch anstatt den Parlamentarismus als aufklärende, seriöse Säule des Systems zu präsentieren, wurde der U-Ausschuss in den bananenrepublikanischen Sog gezogen, der derzeit weltweit die Politik zu erfassen scheint.

Die heimische Politik ist inzwischen in einer Dysfunktionalität angekommen, deren langfristige Auswirkungen man an den politischen Verhältnissen in den USA ablesen kann. Man entdeckt auch hierzulande reiche Spender, die sich mit ihrer Großzügigkeit ganz offen den Zugang zu Ministerien und Posten gekauft haben. Man erkennt auch die unüberwindbar tiefen Gräben, die sich zwischen der in Umfragen bärenstarken ÖVP und dem Rest der Parteienlandschaft auftun.

Von US-Präsident Donald Trump dürfte sich die ÖVP auch bei ihren Angriffen auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) inspiriert haben lassen. Als Penzinger Mini-Trump tat sich im U-Ausschuss der türkise Fraktionsführer Wolfgang Gerstl hervor, der keine noch so peinliche Möglichkeit für eine Spitze gegen die WKStA ausließ – etwa die Frage an einen Korruptionsstaatsanwalt, wie viel dieser denn verdiene.

Kleinkriege

Im Unterschied zu der ruhig vor sich hin arbeitenden US-Justiz betrieb aber auch die WKStA offensive PR. Im U-Ausschuss versuchten deren Oberstaatsanwälte, ein Bild der Korruptionsstaatsanwaltschaft als "gallisches Dorf" zu zeichnen, das von allen Seiten unter Beschuss steht. Demut sieht anders aus – vor allem, da die WKStA einst bei der BVT-Affäre eine höchst unrühmliche Rolle gespielt und sich von der FPÖ instrumentalisieren lassen hatte. Auch bei der Causa Stadterweiterungsfonds setzte es eine schmerzhafte (noch nicht rechtskräftige) Niederlage – und in beiden Fällen wurde gegen ÖVP-nahe Spitzenbeamte ermittelt. Ganz so einfach sind die türkisen Vorbehalte gegen die WKStA also nicht vom Tisch zu wischen. Der Kleinkrieg mit der polizeilichen Soko ist ebenso für beide Seiten peinlich.

Es ist vor allem der Stil, der den U-Ausschuss so schwer erträglich macht – und auch, dass man so viel über den Stil reden muss. Die ÖVP und ihr nahestehende Auskunftspersonen ließen keine Gelegenheit aus, sich über das Benehmen der Opposition zu beschweren. Stichwort Wurstsemmel, Stichwort "Oasch".

Die Oppositionsparteien ließen sich allerdings auf diese Scharmützel ein und lieferten Munition. SPÖ und Neos, die Initiatoren des U-Ausschusses, schafften es nicht, einen sinnvollen Fahrplan zu erstellen. Auch die Befragungen liefen oft ins Leere. Entschlagungen, Gedächtnislücken und Absagen der Spitzenmilliardäre waren erwartbar. Um Substanz herauszuholen, hätte die Opposition auf die Show verzichten und statt berühmter Namen lieber Beamte laden sollen, die über die Vorgänge in ihren Ministerien neue Auskünfte hätten geben können.

Mit dem ersten Akt des U-Ausschusses kann kein Beteiligter zufrieden sein. Was braucht es? Die Opposition muss sich fokussieren, sinnvollere Ladungen ausschicken und hartnäckig an einem Thema dranbleiben, statt in einzelnen Befragungen dutzende Themen durchzugehen. Öffentlichkeit und Medien müssen genau hinschauen, wer warum und wie vom Inhalt ablenken will. Dann wird auch deutlich, wie schmählich manche Auskunftspersonen das Parlament behandeln. (Fabian Schmid, 17.7.2020)