Die Zahlen sind atemberaubend. Etwa 2,7 Billionen Dollar hat die US-Regierung bisher in die Hand genommen, um mittels zweier Konjunkturprogramme das Land möglichst glimpflich durch die Corona-Krise zu bringen. Allein es wird nicht reichen. Experten erwarten, dass Ende des Monats eine weitere Billion an Konjunkturimpulsen nachgereicht werden muss, um die US-Wirtschaft halbwegs am Laufen zu halten. Dabei prognostiziert der Finanzausschuss des US-Kongresses schon ohne weiteres Hilfsprogramm für das im September auslaufende Fiskaljahr 2019/20 ein Budgetdefizit von 3,7 Billionen Dollar. Das entspricht 18 Prozent der jährlichen US-Wirtschaftsleistung – das erwartete neue Konjunkturprogramm nicht mitgerechnet.

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Die auf das Kundengeschäft fokussierte US-Großbank Wells Fargo stand wegen fauler Kredite schon im zweiten Quartal im Regen – und erwartet keine baldige Besserung.
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Bereits per Ende März, also vor den Corona-Hilfsprogrammen, erreichten die Regierungsschulden den Rekordstand von 23,6 Billionen Dollar – nicht zuletzt wegen der kostspieligen Steuerreform von Präsident Donald Trump. Damit erreichte die Verschuldung schon zu Beginn der Corona-Krise rund 124 Prozent der Wirtschaftsleistung. Da sich aber auch Haushalte, Unternehmen und der Finanzsektor hemmungslos weiterverschuldet hatten, kletterte die Gesamtverschuldung des Landes per Ende März auf 73,9 Billionen US-Dollar, was rund 389 Prozent des US-BIP entspricht.

Wie sehr der Schuh drückt, zeigten die Ergebnisse für das zweite Quartal der US-Großbank Wells Fargo, die weniger auf Investmentbanking, sondern auf klassisches Kreditgeschäft setzt. Mit einem Quartalsverlust von 2,4 Milliarden Dollar verbuchte das Geldhaus das erste Minus seit der Finanzkrise. "Unsere Einschätzung über die Dauer und Schwere des Konjunktureinbruchs hat sich gegenüber dem letzten Quartal deutlich verschlechtert", sagte Bankchef Charlie Scharf. Deshalb wurden die Rückstellungen für faule Kredite im zweiten Quartal auf 9,5 Mrd. Dollar erhöht.

Sorglose Kreditvergabe

Wie sorglos US-Banken zuvor bei der Kreditvergabe waren, zeigt ein Blick auf den Teilmarkt der Autokredite – wo sich frappierende Ähnlichkeiten mit der Finanzkrise offenbaren. Im vergangenen Jahrzehnt des Aufschwungs gönnten sich US-Bürger neue Fahrzeuge finanziert mit langfristigen Krediten. Jeder dritte Konsument kaufte bereits ein neues Auto, bevor das alte abbezahlt war – wodurch sowohl Kreditsumme als auch Zinshöhe anstiegen. Insgesamt erreichten alleine die US-Autokredite auf diese Weise ein Rekordvolumen von 1,3 Billionen Dollar.

Dass diese hochriskanten Ausleihungen – wie vor der Finanzkrise Subprime-Hypotheken – zu Wertpapieren verpackt und weiterverkauft wurden, lässt Böses erahnen. "Wir sind von Optimismus zu übergroßem Optimismus übergegangen", sagt der gemeinnützige Finanzberater Bruce McClary von der National Foundation for Credit Counseling. Allerdings werde der "Tag der Abrechnung" kommen.

Aktienblase in Kauf nehmen

Dagegen stemmt sich nicht nur die US-Regierung mit neuen Hilfen für Firmen und Haushalte, sondern auch die US-Notenbank Fed. Mit dem bisher größten Anleihenkaufprogramm, es werden monatlich 80 Milliarden Dollar an Staatstiteln und 40 Milliarden an sonstigen Schuldpapieren erworben, sollen die Zinsen für die öffentliche Hand und Unternehmen tief gehalten werden – selbst, wenn dies den Aktienmarkt in immer lichtere Höhen treibt. Fed-Chef Jerome Powell stellte unlängst indirekt klar, dass er in dieser Situation auch eine Aktienblase in Kauf nehmen würde, um die Beschäftigung hoch und die Inflation stabil zu halten.

Schnell steigende Konsumentenpreise, also hohe Inflation, stellen die stärkste Bedrohung für das Geschäftsmodell der Amerikaner der vergangenen Jahre dar: nämlich Wirtschaftswachstum auf Basis steigender Verschuldung zu erzielen. Die Medizin gegen Inflation sind höhere Zinsen – was jedoch pures Gift für hochverschuldete Volkswirtschaften wäre. (Alexander Hahn, 19.7.2020)