Nächste Woche wird die Commerzialbank wohl in Konkurs geschickt.

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Der Kollaps der Mattersburger Commerzialbank zieht immer weitere Kreise. Immer mehr Geschädigte werden bekannt, zuletzt die Wohnbaugesellschaft EGW Heimstättte, die 30 Millionen Euro bei der burgenländischen Regionalbank liegen hat. Das Geld wird wohl verloren sein, für die EGW, eine indirekte Beteiligung der Vienna Insurance Group (68 Prozent) und Tochter der Sozialbau, stelle das aber kein wirtschaftliches Problem dar, sagte Sozialbau-Vorstandsmitglied Bernd Rießland am Freitag zum STANDARD. Auch die Sozialbau-Tochter Neuland hat 1,95 Millionen Euro im Mattersburger Institut liegen.

Anfang nächster Woche dürfte die dafür zuständige FMA den Insolvenzantrag für das Geldhaus einbringen. Dessen Bilanzen wurden frisiert, Einlagen bei anderen Banken quasi erfunden, Saldenbestätigungen gefälscht. Das dürfte gemäß den Darstellungen des Exchefs Martin Pucher feststehen, an die 500 Millionen Euro sollen fehlen. Aufgeflogen ist das alles nach einer Vor-Ort-Prüfung der Bankenaufseher von FMA und Nationalbank (OeNB), seit Dienstagnacht ist die Bank zugedreht, die Justiz ermittelt und es gilt die Unschuldsvermutung.

Frühere Mängel behoben

Vor-Ort-Prüfungen gab es schon 2015 und 2017, auch da gab es bereits Beanstandungen, Eigenmittelinstrumente etwa sollen mit Krediten finanziert worden sein. Das wurde aber bereinigt, hätten Folgeprüfungen ergeben.

Und wie kann es sein, dass mehrere hundert Millionen Euro fehlen (verschwinden kann man gar nicht sagen, weil es das Geld offenbar nie gab), ohne dass das der Bankenaufsicht oder dem Wirtschaftsprüfer (in dem Fall der TPA) auffällt? Die FMA, die die Prüfungen bei der OeNB in Auftrag gibt und auf Basis von deren Prüfberichten dann etwaige Maßnahmen setzt, war nicht bereit, dazu etwas zu sagen.

Kontrolle und Vertrauen

Die OeNB lässt über ihren Sprecher Christian Gutlederer wissen, dass offensichtlich alle internen Kontrollsysteme in der Bank inklusive Aufsichtsrat versagt hätten. Die Prüfungen der OeNB-Experten setzten auf von den Wirtschaftsprüfern testierten Bilanzen auf, man müsse sich grundsätzlich auf das Rechnungswesen verlassen können und darauf, dass alle Dokumente in anderen Prozessen sorgfältig geprüft wurden, erklärt der OeNB-Sprecher.

Malversationen könne man aber nie ausschließen, heißt es bei FMA und OeNB. Die Aufsicht kümmert sich etwa um die Kontrolle, ob die Regulatorien eingehalten werden, das Funktionieren des Kreditrisikomanagements, Kernbankensystems oder internen Kontrollsystems. Die Bilanzprüfung ist Sache des Wirtschaftsprüfers, die TPA hat der Commerzialbank für 2018 einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Sie prüft die Bilanzen seit dem Jahr 2006 ohne Unterbrechung.

Prüfer drehten das Licht ab

In der OeNB sieht man das Ergebnis der Vor-Ort-Prüfung als Erfolg, schließlich habe man die Malversationen aufgedeckt, so Sprecher Gutlederer. In der FMA heißt es dazu, dass die Kooperation mit der OeNB bestens funktioniert und die Aufsicht binnen Stunden reagiert habe, nachdem die Ungereimtheiten entdeckt waren. Bis Dienstagabend waren die Prüfer aus Wien in Mattersburg gesessen, dann wurde die Bank zugedreht.

Und so soll die Sache dem Vernehmen nach gelaufen sein: Bestätigungen über Guthaben der Commerzialbank bei einer Handvoll österreichischer Banken dürften gefälscht gewesen sein. Nur eine der in den Bilanzen verbuchten sogenannte Interbankeinlage hat gestimmt. Die Prüfer, die nach der Corona-Krise ihre Arbeit in Mattersburg fortsetzen und dabei auch das Geschäftsmodell genauer beleuchten wollten, wurden stutzig, als sie Bankeinlagen bemerkten, mit jeweils hohen zweistelligen Millionenbeträgen.

Aufsicht telefonierte die Banken durch

Zudem gab es in dem Institut ungewöhnliche Kreditbedingungen für Kunden, die auch Spareinlagen dort hatten, auffällig waren auch die hohen Zinserträge. Wie berichtet lagen die 2018 bei fünf bis sechs Prozent; in dem Jahr betrugen die Einlagen bei Kreditinstituten 315 Mio. Euro, bei einer Bilanzsumme von 800 Mio. Euro.

Der Verdacht der Prüfer dürfte sich Anfang dieser Woche verdichtet haben. Und: Mit Zustimmung des Vorstands unter Martin Pucher griffen die Aufseher zum Telefon und fragten bei den Banken nach, ob die Commerzialbank die ausgewiesenen Summen bei ihnen liege habe. Nein, war die Antwort bei allen Instituten, nur bei einem gibt es tatsächlich eine Einlage – die ist aber unbedeutend.

TPA fühlt sich getäuscht

Die Saldenbestätigungen dürften also gefälscht sein, das sei mit "hoher krimineller Energie" geschehen, heißt es. Bankprüfer TPA weist wie berichtet jede Schuld von sich, man habe immer korrekt geprüft und sei von der Bank getäuscht worden. Die Commerzialbank habe das Vertrauen der Prüfer in die Korrektheit der zur Verfügung gestellten Unterlagen offensichtlich missbraucht, so die TPA in einer Stellungnahme.

Offen ist die Frage, ob der Wirtschaftsprüfer die Saldenbestätigungen direkt bei der jeweiligen Bank eingeholt hat, wie das vorgesehen ist. Im Falle der Commerzialbank hat das Organisieren dieser Bestätigungen angeblich sie selbst übernommen und Selbige dann an den Wirtschaftsprüfer weitergeleitet. Sie sollen aber eben gefälscht gewesen sein. (Renate Graber, 17.7.2020)