Die Ankündigung lautete: "Aviso: Lokalaugenschein von Innenminister Nehammer und Integrationsministerin Raab in der Polizeiinspektion Favoriten, um sich ein Bild über die Kriminalitätslage in Favoriten zu machen". Daraus könnte man den Eindruck gewinnen, Integration sei für die Integrationsministerin eine Polizeiangelegenheit.

Der Anlass waren die gewalttätigen Ausschreitungen von überwiegend türkischstämmigen Jugendlichen gegen eine linke, kurdische Frauenrechtsdemonstration. Das ist tatsächlich auch eine Polizeiangelegenheit. Aber die andere Seite sind geeignete gesellschaftliche Maßnahmen.

Integrationsministerin Susanne Raab mit Innenminister Karl Nehmmer und Landespolizeivizepräsident Franz Eigner auf Inspektion in Favoriten.
Foto: APA / Roland Schlager

Tatsächlich geht die Integrationsministerin Susanne Raab bisher an ihre Aufgabe auf eine ziemlich eindimensionale Art und mit einer konfrontativen Rhetorik heran: Es dürfe keine "Träumereien von Multikulti" geben. "Parallelgesellschaften" sind abzulehnen. "Kein türkischer Einfluss." Ja, gut, das soll es alles nicht geben – und, was weiter?

Und kann es sein, dass die Politik von Raab (und der türkisen Regierungspartei) darin besteht, eher über die Muslime zu reden, statt mit ihnen?

Nicht eingebunden

Raab hat soeben die Gründung eines Dokumentationszentrums gegen "politischen Islam" und "islamischen Extremismus" angekündigt. Ein Vorbild wäre das schon lange bestehende Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes in Sachen Rechtsextremismus und Neonazismus.

Der offizielle Vertreter der Muslime, Ümit Vural, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs (IGGÖ), beschwert sich, dass seine Vereinigung beim Dokumentationszentrum nicht eingebunden wurde: "Mit der Ausgangslage, nicht die Religion des Islam zu meinen, habe ich den Eindruck, dass hier die IGGÖ herausgehalten wird und wurde." Dabei wäre laut Vural die IGGÖ "ein klarer Verbündeter und Partner im Kampf gegen jegliche Art von politischem und religiösem Extremismus".

Im Büro der Ministerin sagt man, es habe im Vorfeld Gespräche auf Beamtenebene mit der IGGÖ gegeben. Die Ministerin selbst habe im Februar ein Treffen mit den Oberhäuptern aller 16 Religionsgemeinschaften gehabt, und auch bei den Corona-bedingten Moscheenschließungen habe man zusammengearbeitet. Ob und wie die Dokumentationsstelle mit der IGGÖ zusammenarbeitet, sei eine Entscheidung des künftigen Vorstandes.

Nun ist es vielleicht nicht zielführend, der IGGÖ eine Art Vetorecht zuzugestehen. Aber Vural, der soeben erst im STANDARD differenzierte Kritik an der Re-Islamisierung der Hagia Sophia übte, spricht von einer generell mageren Gesprächsbasis: "Es gab keine intensiven Gespräche."

Ohne Plan

Es entsteht der Eindruck, dass noch ziemlich viele Voraussetzungen fehlen. Es gibt weder klare Definitionen des Begriffs "politischer Islam" noch eine Vorstellung, welche und wie viele Vereinigungen wie beobachtet werden sollen. Raab hat sich sozusagen als wissenschaftlichen Beirat für die Dokumentationsstelle einerseits den liberalen Religionssoziologen Mouhanad Khorchide geholt, andererseits Lorenzo Vidino, einen Experten für islamischen Extremismus, von der privaten George Washington University. Vidino hat in einer Studie von 2017 über "Die Muslimbrüder in Österreich" der IGGÖ und der "Muslimischen Jugend Österreichs" eine Nähe zu den Muslimbrüdern unterstellt. Ohne klare Beweise.

Das klingt nach Konfrontation ohne genauen Plan. (Hans Rauscher, 19.7.2020)