Als "absolut inakzeptabel" bezeichnete Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bei einem Pressetermin in Wien-Favoriten das Verhalten jener acht Polizisten, die einen 28-Jährigen verprügelt haben beziehungsweise nicht eingriffen haben sollen.

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Wien – "Das ist tatsächlich nicht zu begreifen", sagt Wiens Landespolizeivizepräsident Franz Eigner im STANDARD-Gespräch, nachdem acht seiner Untergebenen suspendiert wurden. Er meint nicht die Suspendierung, sondern die Vorfälle, die zu der Maßnahme geführt haben: Zwei der Beamten sollen im Jänner 2019 in einem illegal betriebenen Spiellokal in Wien-Favoriten einen 28-jährigen Tschetschenen verprügelt, sechs ihrer Kollegen dabei teilnahmslos zugesehen haben.

Aufgekommen ist die Sache am Donnerstag. Da erschien das Opfer bei der Polizei und konnte das Video einer Überwachungskamera präsentieren, das er selbst organisiert hat. Was Eigner fassungslos macht: Darin ist zu sehen, dass der in Österreich zur Schule gegangene Tschetschene bei einer Ausweiskontrolle keinen Widerstand leistet, als er plötzlich von den Polizisten attackiert wird.

Nur "lapidarer Eintrag"

Es gibt in dem Fall aber weitere Merkwürdigkeiten. Erst im Dezember 2019 sei das Opfer wegen anhaltender Beschwerden in ein Wiener Krankenhaus gegangen, das die Polizei über die Vorwürfe informierte. "Wir haben uns dann angesehen, was für ein Einsatz das sein könnte, und haben nur einen lapidaren Eintrag gefunden", berichtet der Landespolizeivizepräsident. Demnach habe es bei der Aktion im Jänner keine Festnahme gegeben, ja nicht einmal eine Amtshandlung habe stattgefunden.

Auch zwei der Verdächtigen seien vom internen Büro für besondere Ermittlungen befragt worden und hätten keine relevanten Vorkommnisse berichtet. Warum den internen Ermittlern nicht aufgefallen ist, dass keine Amtshandlung vermerkt worden ist, muss noch aufgeklärt werden. "Die Einsatzdokumentation war definitiv unzureichend, und die falsche Aussage stellt an sich schon einen Straftatbestand dar", gibt Eigner zu. Damals seien die Ergebnisse jedenfalls der Staatsanwaltschaft Wien mitgeteilt worden, die daraufhin ein Verleumdungsverfahren gegen den Tschetschenen einleitete.

Video kam per Whatsapp

Der war aber nicht mehr auffindbar – wie sich herausstellte, war er auf Reisen gegangen und in Dubai aufhältig, wo er möglicherweise von den Corona-bedingten Reisebeschränkungen überrascht wurde. Dort habe er auch via Whatsapp das Überwachungsvideo übermittelt bekommen. Die Polizei hatte sich nicht darum gekümmert, es sicherzustellen. Der 28-Jährige war mehrmals auf eigene Faust zum Tatort zurückgekehrt und hatte über die Gegensprechanlage seine Telefonnummer hinterlassen. Vor vier Wochen kam der Mann dann nach Wien retour.

Laut Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, sei das Verfahren gegen den 28-Jährigen eingestellt worden, nachdem er der Anklagebehörde das Video vorgelegt hatte. Hingegen wird nun gegen die Polizisten ermittelt, einerseits wegen des Verdachts der Körperverletzung, und andererseits steht auch der Verdacht des Amtsmissbrauchs im Raum.

Für Innenminister Karl Nehammer, der am Freitag gemeinsam mit Integrationsministerin Susanne Raab (beide ÖVP) eine Polizeiinspektion in Favoriten besuchte, ist das Verhalten der Polizisten "absolut inakzeptabel". Die Untersuchung werde mittlerweile vom direkt im Innenressort angesiedelten Bundesamt für Korruptionsbekämpfung geleitet. Das ist auch jene Stelle, bei der eine im türkis-grünen Regierungsübereinkommen vereinbarte unabhängige Beschwerdestelle gegen Fehlverhalten von Polizisten untergebracht werden soll.

Bei Bodycams hapert es

Während für diese Beschwerdestelle bis Herbst ein Konzept vorgelegt werden soll, scheint es bei einer anderen Präventionsmaßnahme zu hapern: dem Einsatz der als Bodycams bekannten, am Polizistenkörper getragenen Aufzeichnungsgeräte. Die Erfahrungen damit waren in Pilotversuchen durchaus gut: Sie trugen auf beiden Seiten zur Deeskalation bei, berichteten Testteilnehmer. Im vergangenen Sommer schien ein großflächigerer Einsatz knapp bevorzustehen, es sollten mehrere Hundert Geräte angeschafft werden.

Dem Vernehmen nach scheint es intern aber Datenschutzbedenken zu geben. Dabei soll es um die Frage gehen, ab wann ein Beamter die Bodycam konkret einschalten darf: Bereits wenn er fürchtet, es könnte zu Zwischenfällen kommen, oder erst, wenn bereits eine Straftat begangen wurde. Offiziell war aus dem Innenministerium bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme dazu zu erhalten. (Michael Möseneder, 17..7.2020)