Weniger diplomatisch äußerte sich Bundeskanzler Kurz über jene Staaten, die den Corona-Aufbauplan der EU in Anspruch nehmen wollen.

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Brüssel – Während die Beratungen der 27 EU-Staaten andauern, gab sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) optimistisch. Es geht um viel Geld und alte Konflikte zwischen den verschuldeten Ländern des europäischen Südens und jenen mit mehr finanzieller Bonität. Deshalb lässt die Wortwahl von Kurz im Rahmen einer Pressekonferenz am Freitag in Brüssel aufhorchen: Darin bezeichnete er die südlichen EU-Nachbarn als "Staaten, die in ihren Systemen kaputt sind."

Konkret äußerte sich Kurz zur Frage, wofür das Geld des EU-Aufbauplans wegen der Corona-Krise verwendet wird: "Wenn das Geld nicht in Zukunftsinvestitionen verwendet wird, wenn es nicht auch Hand in Hand geht mit notwendigen Reformen in Staaten, die schlicht und ergreifend in ihren Systemen kaputt sind oder zumindest große Probleme haben, wird all das verpuffen", so der Kanzler.

Die Formulierung von Sebastian Kurz wurde vom ZDF-Korrespondenten in Brüssel, Stefan Leifert, veröffentlicht.

In der "ZiB 2" vom Freitag auf seine Äußerung angesprochen, verteidigte und relativierte Kurz seine Aussage: Es sei bekannt, dass viele Staaten hoch verschuldet seien. In Ländern wie Italien gebe es "definitiv Defizite" und deshalb seien eben "einschneidende Reformen" notwendig, sonst würde das Geld "versanden". Kurz wiederholte, dass "es problematische Systeme teilweise gibt, und manche Systeme auch kaputt sind", wie etwa die Wettbewerbsfähigkeit. Bei jedem EU-Land könne er sagen, was funktioniere und was nicht, so Kurz.

Zähe Verhandlungen

Wie zäh die Verhandlungen vor sich gehen, zeigte eine Unterbrechung am späten Freitagnachmittag. Für etwa zwei Stunden sprach EU-Ratschef Charles Michel mit Teilnehmern in kleineren Formaten, teilte Michels Sprecher Barend Leyts auf Twitter mit. Regierungschefs mehrerer europäischer Länder bekundeten offen ihren Dissens.

Zuvor hatte es aus Diplomatenkreisen geheißen, dass sich die Staats- und Regierungschefs "ihre Energie für das, was morgen kommt" aufsparen würden. Allerdings hätten sich etwa Frankreich, Polen und Tschechien bereits gegen die umstrittenen Rabatte für Nettozahlerländer wie Österreich positioniert.

Verhandelt wird über einen schuldenfinanzierten Corona-Aufbauplan im Umfang von 750 Milliarden Euro und den nächsten siebenjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union im Volumen von mehr als 1.000 Milliarden. Etliche Punkte sind sehr umstritten, darunter die Summen, die Bedingungen für Hilfsgelder und die Frage, ob kreditfinanzierte Gelder als Zuschüsse an Krisenstaaten gehen sollen. (red, APA, 17.7.2020)