Hie und da hält sich Ivo Sasek im Hintergrund und gibt sich mit der Rolle als Backgroundsänger im Familienchor zufrieden. Die Stimme im Showprogramm der 17. AZK (Anti-Zensur-Koalition) erheben sein Sohn Joshua und seine Tochter Ruth und zwar für all jene, die "so sinnlos gehen mussten von uns." Der Song "Dunkelziffer" ist ein opulentes und ein wenig gruseliges Musikstück mit Elementen des Gospels und des Raps und mit ein paar Nachhilfestunden in Geschichte. "So sinnlos gehen" mussten laut Saseks vielstimmigen Ensemble die Opfer des Stalinismus in den 30er-Jahren und "zig Millionen" Deutsche, die den Bombenangriffen der Alliierten zum Opfer fielen.

Uns würden zwar noch ein paar andere Opfer aus dieser Epoche und in dieser Größenordnung einfallen, aber Joshua Sasek hat uns im Intro zum Lied schon darauf aufmerksam gemacht, "dass immer nur die Sieger die Geschichte schreiben und entsprechend verfälschen." Aber bei den Saseks haben die Sieger die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn bei ihnen dürfen seit jeher auch die Verlierer zu Wort kommen.

ANTIZENSURKOALITION

Die Holocaust-Leugnerin Sylvia Stolz sucht Täter, Opfer und Motive

Sylvia Stolz, zum Beispiel, die ist so eine: Die deutsche - und nunmehr ehemalige - Rechtsanwältin referierte bei der AZK im Jahr 2012 zum angeblichen "Sprech- und Beweisverbot" rund um den Holocaust. Auch Stolz ortet da eine große Dunkelziffer und eine "unklare Definition" des Holocausts und daher auch der Leugnung desselben. "Es müsste zumindest ein Urteil geben gegen einen Holocaustleugner, in dem der Holocaust genau festgestellt wurde." Aber in dieser Causa fehle es an allem, klärt uns Stolz auf. "Es fehlen die Feststellungen über Tatorte, Tötungsmethoden, Anzahl der Toten, Tatzeiträume, Täter, Leichen..." Auch Zeugenaussagen fehlten, und auch die  Belege über die Absicht der Nazis, "die Judenheit ganz oder teilweise zu zerstören". Gute eineinhalb Stunden dauert die zeitgeschichtliche Geisterbahnfahrt, sie beklagt auch die Verfolgung ihrer Person.

Gedenkminute für Holocaustleugner

Ivo Sasek stürmt am Ende der Rede die Bühne, er ist gerührt und dankt der wackeren Strafverteidigerin. Er habe ob des Unrechts nur mit Mühe die Tränen unterdrücken können. Dem Publikum, das den Sermon von Stolz soeben mit Standing Ovations bedankt hatte, verordnet Sasek eine Schweigeminute. Der rappelvolle Saal schweigt ergriffen ob des Unbills, dem Holocaust-Zweifler allerorten ausgesetzt sind.  

Phil S

Stolz ist nicht die einzige Referentin, die bei Sasek Revisionismus zelebrieren durfte. Drei Jahre zuvor schrieb der Schweizer Holocaust-Leugner Bernhard Schaub den Juden bei seinem Referat Nettes ins Stammbuch. Die juristische "Abgeschirmtheit" des Holocaust diene dazu, "dass sich eine bestimmte Menschenart, die sich für was besseres hält, jeder Kritik entzogen ist." Was Schaub nicht gefällt an der Zeit von 1933 bis 1945. Dass man genau zu wissen glaube, "wer der Teufel ist und wer das Opfer." All diese Dinge mit der angeblichen oder tatsächlichen Judenverfolgung, die hätte er gerne noch einmal wissenschaftlich untersucht. 

Das Hochamt der Verschwörungsplauderer

Bei der jährlich stattfindenden Veranstaltung der Anti-Zensur-Koalition treten natürlich nicht nur Holocaust-Relativierer auf. Eine Art Hochamt rechter Verschwörungsplauderei und Esoterik ist die bizarre Sause aber in jedem Jahr. Wer in der Szene Rang und Namen hat, tritt dort auf, oder andersrum gesagt: Wer bei Sasek noch nicht aufgetreten ist, hat keinen Rang und keinen Namen. Impfgegner, Elektrosmogwarner, Klimakrisenleugner, Scientologen, Ufoexperten, 9/11-Truther und Finanz- und Migrationsapokalyptiker geben sich auf der Bühne das Mikro in der Hand. Wenn der österreichische Holzbauunternehmer Erwin Thoma auf der Bühne über Mondholz schwadroniert, dann ist das ein den Umständen dieser Veranstaltung entsprechend harmloser Unfug.   

Der ehemalige Autoverkäufer gründete eine Kirche

Sasek ist in der Schweiz als Sekten-Tausendsassa, Medienunternehmer und Verschwörungsplauderer kein unbeschriebenes Blatt. Sein Wirken hat der ehemalige Autoverkäufer mit der Gründung der evangelikal-angehauchten OCG (Organische Christus Gemeinschaft) begonnen. Daneben dirigiert Sasek "alternative Medienkanäle", wie zum Beispiel Klagemauer TV. Was bei der Anti-Zensur-Koalition einmal im Jahr präsentiert wird, das wird bei Klagemauer TV in täglichen News verbraten. Professionelle Studios und geschulte Moderatoren vermitteln ein seriöses Bild. Die Inhalte kommen da nicht immer mit.

Im Jänner 2018 fordert Klagemauer TV die Wissenschaft auf, sich mit den Fragen der "Flache Erde"-Theorie noch einmal ernsthaft auseinanderzusetzen. Der Unsinn ist alles andere als ideologiefrei. Klagemauer TV beruft sich auf den Flat-Earth-Protagonisten Eric Dubay. Der ist ein in Thailand lebender Yoga-Lehrer aus den USA und verrenkt sich nicht nur beim Turnen. Er zweifelt nicht nur an der Kugelgestalt der Erde, sondern - und da schließt sich der Kreis - auch an der Geschichtsschreibung rund um den Holocaust. Adolf Hitler kommt in einem Aufsatz "Die Wahrheit über Hitler" recht gut weg.  

Hitler: ein Mann im Rang eines Apostels? 

Der Reichsführer lässt auch Sasek nach wie vor nicht los. In einer seiner Predigten - das belegen Dokumente des Schweizer Rundfunks - ordnet Sasek Hitler einen recht prominenten Platz in seinem persönlichen Pantheon zu. Immer neue Bücher kämen auf den Markt, "in denen hochgradige Historiker ein ganz anderes Bild von Adolf Hitler zeichnen." Sasek fragt seine Gemeinde: "Wenn das einer war, der gleich nach Jesus Christus kommt. Wenn das einer ist, der vom Rang eines Apostels ist?" 

Dass Sasek nicht nur Freunde hat, zeigte sich vor wenigen Tagen. Das Hacker-Kollektiv "Anonymus" hat eine der Webseiten des Gurus gekapert und Enthüllungen zum Netzwerk Saseks angekündigt. Wir sind gespannt. (Christian Kreil, 24.7.2020)

Die Bewertung der Stiftung Gurutest: 

Esoterikfaktor: ★★☆☆☆
Pseudomedizinfaktor: ★☆☆☆☆
Verschwörerfaktor: ★★★★★ 
Rechtsaußenfaktor: ★★★★★
Marketinggeniefaktor: ★★★★☆

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