Akten (hier aus dem Buwog-Prozess) in der für Datenjournalisten unsympathischsten Form – auf Papier, nicht digitalisiert.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Was tun öffentliche Stellen, zum Beispiel Gemeinden oder Länder, mit dem Steuergeld ihrer Bürgerinnen und Bürger? Antworten darauf können Monate oder Jahre dauern, verweigert werden oder praktisch inhaltslos ausfallen, über Gerichte führen – und dennoch nicht erzwungen werden. Bevor Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) den Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz in Begutachtung schickt, erklärten Journalistinnen und Aktivisten, was es bewirken sollte.

"Der Informationszugang muss ein wirkliches Recht sein, kein Gnadenakt der Behörde", sagte Alexander Fanta von der Plattform netzpolitik.org. Österreich sei das letzte Land in der EU ohne ein solches Informationsfreiheitsgesetz, erklärte Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit am Dienstag im Presseclub Concordia. Wo schon Mitte der 1990er österreichische Journalistinnen und Journalisten das Amtsgeheimnis beklagten und über Initiativen zu dessen Abschaffung diskutierten, wie sich Helmut Spudich, Autor und langjähriger Journalist, am Rande der Veranstaltung erinnerte.

Wie sollte ein Informationsfreiheitsgesetz aussehen, das diesen Namen verdient? Aktivist Huter umreißt die Anforderungen so:

  • Grundsätzliches Recht auf umfassende Auskunft über Informationen bei Behörden, öffentlichen Institutionen und staatseigenen Unternehmen. Nur aus massiven, gerechtfertigten Geheimhaltungsgründen solle der Zugang verwehrt werden können.
  • Es müsse Konsequenzen für Behörden geben, die den Zugang zu Informationen gegen das Infofreiheitsgesetz verweigern.
  • Kurze Fristen für die Auskunft – zwei Wochen oder 15 Tage, die gültige Frist für EU-Institutionen. Huter: "Estland schafft das in fünf Tagen."
  • Eine oder ein unabhängige/r Informationsbeauftragte/r, die oder der in Streitfällen rasch über schützenswerte öffentliche Interessen oder Zugang eine erste, bindende Entscheidung treffe.

Zugang zu staatlichen Informationen sei ein essenzieller Teil der Meinungs- und Medienfreiheit, verwies Huter auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Julia Herrnböck berichtete am Dienstag von "Dossier"-Recherchen über Subventionen der Länder an ein privates Ausbildungsinstitut, die das Land Oberösterreich beharrlich verweigerte, wo das Institut seinen Hauptsitz hat. Von einer Bildungsdirektion, die selbst die Zahl der Studierenden an einem Konservatorium unter Verweis auf Datenschutz verweigerte und erst nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts lieferte. Ein bis zwei Jahre kann eine solche Entscheidung schon dauern.

Markus Hametner, Infofreiheits-Aktivist und Datenjournalist bei "Addendum", berichtete von Gerichtsverfahren von bald zwei Jahren gegen einzelne Gemeinden, die der Rechercheplattform partout keine Förderdaten in den Bereichen Kultur und Sport liefern wollten. "Addendum" hat darüber von mehr als 2.000 Gemeinden Auskunft verlangt, immerhin ein Drittel lieferte Daten für die öffentlich zugängliche "Transparenzdatenbank" der Plattform. Damit verfüge die Plattform über mehr Förderdaten, "als sie je ein Finanzminister hatte", sagt Hametner. Wer wie viel Förderung von Gemeinden, Ländern und Bund bekomme, und womöglich parallel, stehe im öffentlichen Interesse der Bürgerinnen und Bürger.

Fanta von netzpolitik.org berichtete von umfangreichen Dokumenten bis hin zur Korrespondenz mit Lobbyisten, die er auf Anfrage von der EU-Kommission bekam, als er Auskunft über die angekündigte, aber von Apple erfolgreich verweigerte Vereinheitlichung von Ladekabeln für Mobiltelefone verlangte.

Datenjournalistin Catharina Felke berichtete von einer Recherche für den Bayerischen Rundfunk über Chemikalien im Boden mit dem deutschen Umweltinformationsfreiheitsgesetz – und den Widerstand der Bundeswehr, Daten herauszurücken, die auch den betroffenen Gemeinden nicht vorlägen. Immerhin: Binnen vier Wochen müssten Anfragen nach diesem Gesetz beantwortet werden. Nach dem aktuellen österrreichischen Auskunftspflichtgesetz haben sie acht Wochen Zeit.

Der Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz ist angekündigt "vor der Sommerpause". (fid, 21.7.2020)