Beim Feilschen um Rabatte wurden in der Nacht von Montag auf Dienstag noch einmal in der Gruppe der EU-Staats- und Regierungschefs die Ärmel hochgekrempelt. Kanzler Kurz zeigte sich danach zufrieden.

Foto: APA / AFP / Francisco Seco

Nun hat Corona also auch in Brüssel für eine Rabattschlacht gesorgt – und das, obwohl man die umstrittenen Nachlässe vom EU-Budget mit dem Ende der britischen EU-Mitgliedschaft eigentlich ganz streichen wollte. Dann aber stellte sich einmal mehr heraus: Sie sind zu praktisch. Zu gut eignen sie sich, um bei skeptischen Ländern Zugeständnisse zu großzügigen Geldausgaben herauszuschlagen.

Einer der Gewinner ist diesmal auch Österreich – denn im Verbund der sogenannten "Sparsamen Vier" konnte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) eine massive Erhöhung der österreichischen Beitragsrabatte erzielen. Hierzulande stößt der EU-Finanzdeal dennoch auch auf scharfe Kritik – sogar beim eigenen Koalitionspartner.

"Auf diesen Rabatt mag ich nicht stolz sein"

Vizekanzler Werner Kogler beklagte am Dienstag die "falschen Kürzungen" beim geplanten Klimafonds. Mehr Geld für den Kampf gegen den Klimawandel wäre dem Grünen-Chef lieber gewesen als "das eine oder andere Prozent am Rabattbasar", ließ er dem Kanzler ausrichten. Noch weiter lehnte sich Koglers Vorarlberger Kollege, der dortige Grünen-Chef Johannes Rauch, aus dem Fenster: "Auf diesen 'Rabatt' mag ich nicht stolz sein, weder als Europäer noch als Österreicher. Sorry about", ließ er via Twitter wissen.

"Wir wären als Grüne in manchen Bereichen wohl mutiger und auch europäischer gewesen", formuliert es Kogler. Sein versöhnlicher Nachsatz: "Aber auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut."

Die FPÖ beurteilt das Paket weniger gütig: Kurz habe sich "über den Tisch" ziehen lassen, Österreich zahle in den kommenden Jahren nämlich trotzdem mehr Geld nach Brüssel. Der höhere Rabatt sei eine "Mogelpackung", ist Norbert Hofer überzeugt. Die Sozialdemokraten bedauern vor allem die Kürzungen im EU-Budget bei den Programmen für Gesundheit, Forschung und Klimaschutz. Dass hingegen mehr Geld für Rüstung und Verwaltung ausgegeben werde, sei kurzsichtig und falsch, findet SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.

Das Geld soll zurückkommen

Worum aber geht es bei den Rabatten eigentlich genau? Zunächst: um die Fortsetzung einer langen Tradition, die es in der EU beim Feilschen um Beiträge und Nachlässe gibt. Die Rabatte gibt es seit dem Europäischen Rat von Fontainebleau im Jahr 1984. Die britische Premierministerin Margaret Thatcher hatte sie verlangt. Vom Treffen blieb eine Szene, bei der sie im Gespräch mit ihren Amtskollegen immer wieder den Satz "I want my money back!" wiederholte. Das bekam sie auch.

Ihren Ärger hatte ausgelöst, dass Großbritannien als eines der damals ärmsten EU-Länder von den üppigen Agrarsubventionen, die aus den Beiträgen gespeist wurden, wenig zurückbekam. Resultat ihrer Bemühungen: Nach einem relativ komplizierten Schlüssel wurde ein aus Mehrwertsteuer und Bruttonationaleinkommen berechneter Betrag ermittelt, den London aus Brüssel wieder zurückbekam.

Die Briten blieben mit ihrem Rabattwunsch nicht allein. Eine Gruppe von Nettozahlern war nicht bereit, ihren Anteil an den Ersatzzahlungen für Großbritannien vollständig zu zahlen, sie forderten einen Rabatte-Rabatt. Neben Österreich zählten Deutschland, Schweden, Dänemark und die Niederlande zu jenen Staaten, die ab 2001 einen solchen Nachlass erhielten.

Damit ist es, nach dem Ende der britischen EU-Mitgliedschaft, vorbei – nicht aber mit den Rabatten. Statt der Mehrzahlungen wegen des Britenrabatts gilt es nun aber einen anderen Posten auszugleichen: Alle EU-Staaten müssen nämlich wegen des Brexits mehr ins EU-Budget einzahlen, um die ausbleibenden Gelder – etwa 75 Milliarden Euro über den siebenjährigen Finanzzeitraum – zu füllen.

3,8 statt 3,3 Milliarden an Beiträgen

Und genau von diesen Geldern haben sich die "Sparsamen Vier" und Deutschland nun erneut Nachlässe ausgehandelt. Österreich bekommt dabei einen Rabatt von 565 Millionen Euro pro Jahr, knapp vier Milliarden über sieben Jahre also. Sie werden aber von einem gestiegenen Beitrag abgezogen.

Insgesamt zahlt Österreich ab 2021 wohl 3,8 statt bisher 3,3 Milliarden Euro. Ganz genau könne man das aber nicht sagen, heißt es dazu im Finanzministerium, man müsse alles noch technisch sauber durchrechnen. Dass es sich, wie die Opposition behauptet, um einen Beitrag von 5,4 Milliarden pro Jahr handle, weist man als Rechentrick zurück. Auf diese Summe komme man, wenn man auch die Haftungen für den Wiederaufbaufonds mitrechne.

Positiv wirkt sich das Ergebnis bei den Agrarförderungen aus: Hier stehen Einbußen bei den Strukturzahlungen der ländlichen Förderung von 18 Millionen im Jahr Zuwächse von 23 Millionen bei der ländlichen Entwicklung gegenüber.

Positive Reaktionen gab es auch im Ausland. Italiens Premier Giuseppe Conte zeigte sich erfreut, in Deutschland bekam Angela Merkel Zustimmung vom Koalitionspartner. "Jetzt freue ich mich, diesen Plan mit meinen Finanzministerkollegen umzusetzen. Wir kämpfen gegen diese Krise in Solidarität und mit vereinten Kräften", sagt Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD). Auch die CSU ist mit Merkels Verhandlungen zufrieden.

Der deutsche Grünen-Chef Robert Habeck ist zwar froh, dass es eine Einigung gegeben hat, diese jedoch bleibt seiner Meinung nach "weit hinter dem zurück, was nötig wäre für die krisengeschüttelten Staaten und damit die gesamte wirtschaftliche Stabilität der Eurozone". Die AfD hatte Kanzler Kurz während des Gipfels aufgerufen, standhaft zu bleiben und sich "von den frechen Provokationen von Merkel, Macron und Co nicht beeindrucken" zu lassen. (Birgit Baumann aus Berlin, Manuel Escher, Katharina Mittelstaedt, 21.7.2020)