Verwaltungsgerichte stellen eine "erschreckende Aggressivität" der Polizei im Lande fest.

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Im Mai vergangenen Jahres fand in Wien eine Klimademonstration statt. Dabei kam es zu folgenden, mit dem Handy gefilmten Szenen: Ein völlig friedlicher Demonstrant wurde zu Boden geworfen, hinter einen Wall von angestrengt in die Luft schauenden Polizistinnen und Polizisten geschleppt und dort mit wuchtigen Fauststößen traktiert, offenbar in die Nieren. Ein zweiter, ebenfalls friedlicher Demonstrant wurde von Polizisten gepackt und mit Kopf und Oberkörper unter einen Polizeibus geschoben. Der Bus fuhr an, worauf die Polizisten den Mann im allerletzten Augenblick unter dem Wagen hervorzogen.

Seither haben Verwaltungsgerichte für die Demonstranten entschieden und eine "erschreckende Aggressivität" der Polizei festgestellt. Gegen acht Polizisten wurde ermittelt. Frage: Was ist seither daraus geworden?

In der Zwischenzeit ist es zu mehreren anderen polizeilichen Übergriffen gekommen. Ein anderer Demonstrant wurde am 1. Mai vom Rad getreten, eine sitzende Demonstrantin erhielt einen Fußtritt. Gegen neun Wiener Polizisten wird ermittelt, weil sie einen nicht aggressiven jungen Tschetschenen zusammengeschlagen haben.

Dieser Tage tauchte ein Video auf, auf dem zu sehen ist, wie ein Polizist bei einem Einsatz wegen einer Auseinandersetzung vor einem Lokal nicht aggressiven jungen Leuten mit dem Einsperren droht und sagt: "Des is mei Land!"

Innenminister Karl Nehammer und die Wiener Polizeidirektion haben zum Teil Suspendierungen ausgesprochen, die Vorfälle als "nicht akzeptabel" bezeichnet und die Gründung einer unabhängigen Stelle zur Untersuchung von Polizeiwillkür angekündigt.

Aber was ist mit dem Schläger und seinen Polizeibus-Kameraden von der Klimademonstration vor über einem Jahr? Wird immer noch ermittelt? Wie lange soll das noch dauern?

Polizeieinsätze gegen testosteronmotivierte Jugendliche aus einer Macho- und Gewaltkultur sind oft nicht angenehm. Aber erstens müssen trotzdem die Rechtsordnung und die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Und zweitens: Was haben die Klimademonstranten getan, außer sich gegen das Wegtragen zu sperren?

In den USA und nicht nur dort ist seit dem Tod eines Afroamerikaners unter dem Knie eines Polizisten Polizeibrutalität gegen Minderheiten ein Riesenthema. Zuletzt erregte der Einsatz von nicht markierten paramilitärischen Grenzpolizisten, die in der Stadt Portland einfach Demonstranten kidnappten, große Empörung. Da das Militär sich weigerte, gegen friedliche Demonstranten vorzugehen, setzt US-Präsident Donald Trump nun die paramilitärische Grenzpolizei ein. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zum autoritären Regime.

In diesem Sinn muss man auch näher hinsehen, was die Türkisen mit dem Heer und der Polizei vorhaben. Die Grenzen zwischen beiden verschwimmen immer mehr, und das Heer scheint überhaupt als eine Art militarisierte Polizei vorgesehen zu sein.

Wenn der Staat das Gewaltmonopol hat, muss er Gewalt umsichtig und verhältnismäßig, vor allem aber rechtskonform anwenden. Dazu gehört auch, übergriffige Polizisten rasch und nachhaltig zur Rechenschaft zu ziehen. (Hans Rauscher, 22.7.2020)