Männer traf der starke Rückgang der Beschäftigung zu Beginn der Krise stärker als Frauen, mittlerweile hat sich dieser Trend umgekehrt.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Wien – Es geht ein bisschen bergauf, es geht ein bisschen bergab. Weniger rasant als in einer Achterbahn, mehr wie in einem kleinen Boot bei leichtem Wellengang. Die Arbeitslosigkeit ist im Wochenvergleich leicht rückläufig, dafür ging die Zahl von Arbeitnehmern in Kurzarbeit wieder bergauf, wie das Arbeitsministerium am Dienstag mitteilte.

Doch egal mit welchen Metaphern man die Situation am Arbeitsmarkt beschreibt, unterm Strich bleibt die Situation dramatisch. Auch wenn vom ursprünglichen Anstieg der Arbeitslosigkeit etwa die Hälfte wieder zurückging.

433.779 Menschen haben im Moment keinen Job oder befinden sich in Schulung, 4642 weniger als in der Vorwoche. Arbeitslos sind davon fast 90 Prozent. Rechnet man die Kurzarbeiter und jene Menschen ohne Job zusammen, betrifft die Krise nach wie vor knapp 890.000 Personen direkt.

Junge Krisenopfer

Es ist kein österreichisches Phänomen, dass es in einer Krise die Jungen bzw. jene, die noch am Einstieg stehen, als Erstes trifft. Das unterstrich die Industrieländerorganisation OECD in ihrem Beschäftigungsausblick Anfang Juli, und es bewahrheitet sich hierzulande recht eindeutig. Mehr als 63.000 unter 25-Jährige gehen keiner Beschäftigung nach oder lassen sich umschulen. Österreichweit habe die Lehrstellenlücke Ende Juni 2.700 betragen, es seien also 7.700 Lehrstellensuchenden lediglich 5.000 beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldete Stellen gegenüber gestanden. Besonders groß sei die Lücke in Wien, heißt es im Arbeitsministerium.

Geschlechterspezifisch drehte sich die Situation am Arbeitsmarkt während der vergangenen Monate um. Im März wirkte sich der Beschäftigungsrückgang stärker auf Männer als auf Frauen aus. Im April und im Mai war das Verhältnis ausgewogen und im Juni verloren relativ mehr Frauen als Männer ihren Arbeitsplatz, schreibt das Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) in einer Analyse.

Vor allem die Baubranche verdeutlicht diese Umkehr. Erstmals seit Februar gingen die Beschäftigungszahlen nicht zurück. Bei Frauen hingegen setzte sich – von einem vergleichsweise niedrigeren Niveau ausgehend – der Rückgang fort. Das hänge vor allem mit der Entwicklung im Baunebengewerbe zusammen, heißt es im Bericht. Im frauendominierten Handel traf sie der Rückgang härter. "Frauen sind am stärksten in Hire-and-Fire-Branchen beschäftigt, deshalb sind sie die am stärksten Leidtragenden der Entwicklung", sagt der Arbeitsmarktexperte von der Arbeiterkammer (AK) Wien, Gernot Mitter.

Langzeitarbeitslose

Sowohl Arbeitgeber, Arbeitnehmer als auch Wirtschaftsforschungsinstitute warnen vor einem deutlichen Anstieg bei Langzeitarbeitslosen. Österreich habe seit vielen Jahren ein Problem bei der Inklusionskraft des Arbeitsmarktes. Es ginge sehr schnell, dass Menschen lange ausgegrenzt werden, meint Mitter. Das betreffe primär Jugendliche, Ältere, Menschen mit Behinderung und schlecht Qualifizierte.

Auch der Ökonom vom Institut für Höhere Studien, Helmut Hofer, thematisiert dieses Problem im Gespräch mit dem STANDARD: "Es braucht aktive Arbeitsmarktpolitik, Qualifizierungs- und Requalifizierungsprogramme, um zu viele Langzeitarbeitslose zu verhindern. Zur Vermittlung wird auch das AMS mehr Leute benötigen." Es habe in den vergangenen Jahren außerdem viele Mismatches gegeben. Die Mitarbeiternachfrage war groß, aber nach Menschen mit anderen Qualifikationen als jenen der Arbeitslosen.

Um abermals explodierende Arbeitslosenzahlen zu verhindern, verhandeln die Sozialpartner am Mittwoch die dritte Auflage der Kurzarbeit. Die Verlängerung der Kurzarbeit ist vor allem in der Warenproduktion, im Handel sowie in Beherbergung und Gastronomie ein Thema. Das neue Modell soll ab September verfügbar sein. Laut Profil haben sich die Sozialpartner auf eine Pflicht zur Weiterbildung geeinigt: Wird die Arbeitszeit um mehr als 20 Prozent gekürzt, sollen Arbeitnehmer Kurse besuchen müssen. Die Gewerkschaft fordert überdies Arbeitsstiftungen und Arbeitszeitverkürzung. (Andreas Danzer, 21.7.2020)