Mit großen Ambitionen startete 2019 Hive in Wien. Im Februar sagte man ob der anstehenden Neuregulierung schließlich wieder Baba.

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Zigtausende Elektroroller haben Wiens Straßen gesäumt, seit Ende 2018 die ersten Anbieter in der Stadt Fuß gefasst haben. Teilweise waren gleich acht Verleiher parallel aktiv – der anfängliche Wildwuchs sorgte mit der Zeit für Regulierungsbedarf. Doch obwohl die Stadt die Anzahl der im Umlauf befindlichen Roller pro Anbieter auf 1.500 limitierte, war vor allem aus Neubau und anderen innerstädtischen Bezirken immer wieder Unmut über Häufungen unsachgemäß abgestellter Roller zu hören. Im Siebenten werden darum aktuell eigene E-Scooter-Parkplätze getestet.

Die hitzige Debatte ist mittlerweile allerdings abgeflaut. Über die Wintermonate haben praktisch alle Anbieter ihre Flotte wegen wetterbedingt niedrigerer Nachfrage reduziert oder komplett ins Lager verräumt. Und der intensive Wettkampf hat auch seine Spuren hinterlassen.

Konsolidierung

Etwa beim Anbieter Wind. Wer in der App nach den blau-gelben Rollern in Wien sucht, geht leer aus. Im Gespräch mit dem STANDARD bestätigt man den Rückzug aus Wien. Eine Rückkehr sei "derzeit auch nicht geplant", wenn auch nicht ausgeschlossen. Jedoch fokussiere man sich nun auf andere Städte. Auch die knallorangen Scooter des deutschen Start-ups Circ sind weg. Hier hat der Markt ebenfalls zugeschlagen, jedoch auf eine andere Art. Das Unternehmen wurde vom großen US-Konkurrenten Bird geschluckt, der als einer der Ersten damals in Wien durchgestartet ist.

Nicht mehr aktiv ist auch Hive. Das unter dem Daimler-Dach stehende Start-up aus Portugal war im April 2019 gestartet und hatte langfristiges Engagement versprochen. Ende Februar entschied man sich allerdings für den Rückzug und nannte dabei explizit die Regulierungen der Stadt Wien als einen maßgeblichen Grund. Gleiches gilt für den österreichischen Anbieter Max Motion, der im Juni aus dem Wiener Markt ausgestiegen ist.

Gut im Geschäft

Ein anderer Anbieter, der im Vorjahr nach Wien kam, sieht sich noch gut im Geschäft. Kiwiride, ein Franchise des Dubaier Konzerns GP Solutions, hat nach eigenen Angaben derzeit 500 Roller in der Stadt, die für die Abdeckung des Bedarfs ausreichen. Nach knapp einem Jahr Betrieb erfreue man sich aber an einem wachsenden Anteil an Stammkunden. Der pandemiebedingte, monatelange "Tourimus-Stopp" habe das Unternehmen aber dennoch "schwer getroffen". Man hofft, dass der Fremdenverkehr in Wien bald wieder anzieht.

Der deutsche Betreiber Tier ist nach dem Lockdown mit 800 Mietrollern vertreten. Auch hier sieht man damit die aktuelle Nachfrage gut abgedeckt. Man spricht zwar von einem "starken Druck am Markt", der Tourismuseinbruch habe sich aber nur "eingeschränkt" ausgewirkt. 90 Prozent der Kunden seien Wiener oder regelmäßig in der Stadt unterwegs, dementsprechend sei man nicht stark auf Reisegäste angewiesen.

Lime, gemeinsam mit Bird einer der internationalen Big Player, hat nach dem Lockdown seine Flotte wieder fast auf das Maximum von 1500 Rollern aufgestockt.

Der neueste Anbieter auf den Pflastern der Bundeshauptstadt nennt sich Wheels. Seit Ende Juni hat man 75 Leihfahrzeuge ausgebracht, die eine Art Hybrid aus E-Bike und Scooter sind. Vorerst sind diese nur innerhalb des Gürtels verfügbar, eine Aufstockung auf mehrere Hundert Fahrzeuge ist bereits angedacht. In den Startlöchern mit einem Scooter-Leihservice steht Bolt, ein europäischer Konkurrent des Shared-Mobility-Anbieters Uber, das diesen bereits registriert, aber noch nicht gestartet hat.

Wie viele mietbare Roller insgesamt derzeit in Wien unterwegs sind, lässt sich nicht genau sagen. Laut der Auto Revue waren zuletzt rund 6.200 behördlich registriert.

Regulierungsfrust

Zu einem großen Thema dürften in den kommenden Monaten jedenfalls die neuen Regeln der Stadt Wien werden, die mittlerweile in Kraft getreten sind. Wie man aus der Branche hört, ist kaum jemand glücklich mit den Vorgaben. Sie schreiben vor, dass Anbieter ihre Flotte zwischen dem ersten Bezirk, den weiteren Innenstadtbezirken und den Randbezirken dritteln müssen. Hinzu kommen strikte Zeitsetzungen für die Abholung defekter und für die Umpositionierung störend geparkter Scooter.

Bei Max Motion versuchte man – durchaus zum Unmut anderer Anbieter – zunächst, sich diesen Vorgaben zu widersetzen. Zum STANDARD sagt Firmengründer Maximilian Fischl, dass man nun auf dem Rechtsweg die Vorgaben zu Fall bringen wolle. "Die neuen Regeln können nur große Anbieter einhalten, die schon tausend Scooter auf der Straße haben, und sind für ein kleines Unternehmen einfach nicht umsetzbar", sagt er. Max Motion hatte vor der Einstellung des Betriebs in Wien 150 Scooter ausgebracht. Teile man diese gemäß den Regeln auf, so könne man keine sinnvolle Abdeckung mehr gewährleisten. Gleichzeitig habe man auch nicht das Geld, um über Nacht hunderte neue Roller anzuschaffen. Eine Rückkehr sei erst unter anderen Bedingungen denkbar.

Abzuwarten gilt, wie sich der Start von Wheels entwickelt. Dessen Praxis, nur die Innenstadt zu bedienen, wird von der Konkurrenz skeptisch betrachtet.

Großer Aufwand

Auch bei den großen Anbietern hört man Unzufriedenheit heraus. Hier wird ebenfalls der große Aufwand für die Einhaltung der Vorgaben bemängelt. Dazu würden diese den wirtschaftlichen Betrieb verhindern. Während etwa in den inneren Bezirken die Nachfrage mitunter das Scooter-Angebot übersteige, stünden an den Rändern der Stadt zahlreiche Roller herum, die kaum verwendet werden.

Auf die Kritik der Anbieter komme aus dem Rathaus aber bislang kaum eine Reaktion. Nach dem Abbau vieler Citybike-Stationen kündigt sich hier also die nächste Baustelle für die urbane Mobilität an. (Georg Pichler, 23.7.2020)