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Der Streit zwischen großen amerikanischen Städten und der Regierung spitzt sich zu. Letztere will Einheiten der Bundespolizei entsenden, um dort Proteste abzuwürgen. Dagegen wehren sich nun mehrere Bürgermeister.
Foto: Reuters / Caitlin Ochs

Es ist ein Republikaner, ein Parteifreund des US-Präsidenten, der in schnörkelloser Prosa Einspruch einlegt. Das Ministerium für Heimatschutz, protestiert Tom Ridge, der erste Politiker an der Spitze des Riesenapparats, habe man nicht geschaffen, damit es dereinst als Donald Trumps Privatmiliz diene.

Es sei gebildet worden, um das Land nach den Anschlägen am 11. September 2001 vor dem Terrorismus zu schützen. Bundespolizisten, die ihm unterstellt seien, in amerikanische Großstädte zu schicken, um dort für Recht und Ordnung zu sorgen, sei etwas, was ihm nie in den Sinn gekommen wäre. "Ich hätte schon einen kalten Tag in der Hölle erleben müssen, bevor ich einer einseitigen, unerwünschten Intervention in einer meiner Städte zugestimmt hätte", sagt er.

Ridge war Gouverneur Pennsylvanias gewesen, bevor ihm George W. Bush die Leitung des Homeland-Security-Ressorts übertrug. Ein Konservativer, der ganz selbstverständlich für "law and order" steht. Nun aber ist seine Stimme die prägnanteste in einem anschwellenden Chor, der den Präsidenten davor warnt, es auf die Spitze zu treiben.

Trump hatte zu Wochenbeginn angekündigt, Einheiten der Bundespolizei nach New York, Chicago, Philadelphia, Detroit, Albuquerque oder auch Baltimore zu entsenden. Die Frage nach den konkreten Gründen blieb einstweilen unbeantwortet.

Blick auf die Wahlen

Es ging ihm wohl eher darum, mit Blick auf die Wahl im November Stärke zu demonstrieren und die Opposition in die Nähe vermeintlicher Randalierer zu rücken. Die genannten Städte, betonte er, würden durch die Bank von Demokraten regiert, die es zuließen, dass die "radikale Linke" Chaos stifte. Parallel dazu wurde aus Portland im Pazifikstaat Oregon gemeldet, dass nicht näher identifizierte Sondertruppen in gescheckten Uniformen Demonstranten festnahmen und in nicht markierten Fahrzeugen abtransportierten.

Nach Berichten von US-Medien handelte es sich um Polizisten der Grenzpatrouille, die gleichfalls dem Heimatschutzressort unterstellt ist. Folgt man dem Weißen Haus, sollten sie ein Bundesgericht verteidigen, das Demonstranten mit Feuerwerkskörpern beschossen hatten.

Tatsächlich ist es legal, Bundespolizisten in Städten einzusetzen, wenn Gebäude des Bundes zu schützen sind – selbst wenn deren Bürgermeister dies ablehnen. Im Falle Portlands aber steht der Verdacht im Raum, dass es dem Präsidenten einmal mehr darum geht, ein Zerrbild zu zeichnen. In dieser Skizze schaut der politische Gegner tatenlos zu, wie Amerika vor die Hunde geht – was nur er, Donald Trump, durch entschlossenes Handeln verhindern kann.

Bereits vor den Kongresswahlen des Novembers 2018 hatte er Militär an die Grenze zu Mexiko befohlen, während eine Karawane mittelloser Migranten durch das südliche Nachbarland gen Norden zog und er in grotesker Übertreibung von einer Invasion sprach. Diesmal sind es die Proteste, die der Tod des Afroamerikaners George Floyd auslöste und die in einigen Kommunen noch immer andauern, die er zum Anlass nimmt, um sich in der Rolle des Garanten von Recht und Ordnung zu inszenieren.

"Operation Legend"

Der Sammelbegriff, unter dem seine Aktion steht, lässt an einen Heroenfilm denken: "Operation Legend". In einem nächsten Schritt plant Trumps Regierung, bewaffnete Bundesbeamte nach Kansas City zu schicken, wo sie, so die offizielle Version, Kriminellen das Handwerk legen sollen. Nach Chicago will sie 150 Beamte des Homeland-Security-Ressorts, einige spezialisiert auf das Aufdröseln von Drogenschmugglerringen, beordern.

Kaum war die Absicht publik geworden, verwahrte sich Lori Lightfoot, die schwarze Bürgermeisterin der "Windy City", auch schon gegen den Plan: "Wir brauchen keine Bundespolizisten, die Leute von den Straßen holen und, wie ich meine, unrechtmäßig festhalten." Gemeinsam mit ihren Amtskollegen und -kolleginnen in Atlanta, Kansas City, Portland, Seattle und Washington, ausnahmslos Demokraten, schrieb sie Trump zudem einen Brief.

Unerwünschtes Hilfsangebot

Wenn er ihrer Stadt helfen wolle, heißt es darin, solle er den Kampf gegen das Coronavirus forcieren, sich für strengere Waffengesetze einsetzen und mehr in Nachbarschaftsprogramme investieren.

Marty Walsh, der Bürgermeister von Boston, der das Schreiben im Nachhinein ebenfalls unterzeichnete, sprach sarkastisch von einem Hilfsangebot, an dem er keinerlei Interesse habe. Wer die Rechte von Protestierenden missachte, setze ohne jeden Grund auf Eskalation. Ridge, der Republikaner, sieht es ähnlich. Er wünsche sich, dass Trump auf einen kooperativeren Ansatz umschwenke. (Frank Herrmann aus Washington, 22.7.2020)