Otto Waalkes (links) und Günther Kaufmann in der kritisierten Szene.

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Nach Mohrenstraße, Mohrenapotheke und Immanuel Kant hat Deutschland seinen nächsten Rassismusskandal. Eine weitere deutsche Geistesgröße steht unter Verdacht: Otto Waalkes. Vor 35 Jahren ins Kino gekommen, sollte Ende Juli zur Feier des Jubiläums sein Film Otto – Der Film in einigen Kinos erneut laufen. Stattdessen reißt die Debatte nicht ab, ob er rassistisch sei. Der Film solle nicht mehr gezeigt werden, fordern viele.

Der Streifen handelt von dem naiven ostfriesischen jungen Mann Otto, der nach Hamburg kommt, um sein Glück zu versuchen. In der Kritik steht konkret eine Szene, in der er auf der Straße einen schwarzen Soldaten der US-Army mit "Neger" anspricht. Nicht aggressiv, sondern naiv. Dieser, dargestellt vom dunkelhäutigen Schauspieler Günther Kaufmann, Sohn einer Deutschen und eines schwarzen US-Soldaten, versteht die Anrede nicht. "Schwarzer Kopf, schwarzer Bauch, schwarze Füß", versucht Otto eine Erklärung. Als Kaufmann weiter verdutzt schaut, zieht Otto die Schuhe aus und zeigt dem GI seine von Dreck dunklen Füße, worauf der fragt: "Du Neger?"

"Herr Bimbo" spielt mit

Man zuckt heute zusammen, wenn man das sieht. Der GI nimmt es Otto aber nicht übel. Otto braucht Geld und will den Schwarzen als Sklaven betrügerisch verkaufen. Der willigt ein, und gemeinsam ziehen beide los, von Wohnung zu Wohnung. "Was soll er kosten", ist die Frau irritiert, aber angetan. Sobald sie ihn übernommen hat, bietet sie "Herrn Bimbo" unsicher Kaffee an. Der spielt das fragwürdige Spiel heiter mit.

Beginnend mit einem Ghettoblaster auf der Schulter des GI strotzt das so vor Stereotypen, dass es schon in den 80ern als rassistisch wahrgenommen werden musste. Die Produktionsfirma Rialto Film meint deshalb auch, die Szene sei "ein sehr frühes Beispiel für antirassistische Komik im deutschen Film". Die "Initiative Schwarze Menschen in Deutschland" hält dagegen, dass "selbst bei solch offenkundigen rassistischen Inhalten noch geleugnet wird, ist symptomatisch für das mangelnde Rassismusverständnis". Natürlich ist Otto etwas anderes als Rainer Werner Fassbinders elf Jahre älteres Angst essen Seele auf. Eine zentrale Frage bei Humor lautet aber: Über wen lacht man?

Die umstrittene Szene beginnt bei Minute 17:20.
Herbel TV 2

Man lacht hier nicht über den Schwarzen, sondern über die Situation. Lustig kann das alles nur finden, wer weiß, wie unangemessen sich Otto verhält. Der Film reflektiert den dargestellten und für seine Witze missbrauchten Rassismus. Das unterscheidet ihn etwa vom wegen Black Lives Matter zuletzt von HBO aus dem Programm gekippten und mit einem erklärenden Vorfilm wieder aufgenommenen Vom Winde verweht. Dass den Machern Rassismus als Problem bewusst ist, zeigt sich auch eine Szene später, in der Otto in einer Motorradbar gefragt wird, wie ein Eskimo pinkle. Als der Rocker daraufhin Eiswürfel fallen lässt und Otto losprustet, erntet er Schelte, der Witz sei "rassistisch".

Aus der Zeit gefallen

Die Szene ist also differenziert zu sehen und trotzdem aus der Zeit gefallen. So kann man nicht mehr mit Rassismus umgehen, der Diskurs ist weiter, ernster. Aber darf, soll man Otto daher canceln?

Waalkes äußert sich nicht. Die Autoren des Films, Bernd Eilert, Pitt Knorr und Robert Gernhardt, waren Mitarbeiter des Satiremagazins Titanic, das den Humor zuspitzte, auch um Tabus anzusprechen. Die Trennung von Werk und Autor ist seit #MeToo oft Thema. Man muss aber auch zwischen der Haltung eines Werks und seinen einzelnen Figuren unterscheiden.

1985 führte Otto mit 15 Millionen Besuchern die Kinocharts in der BRD und der DDR an. Bis heute gilt er als erfolgreichster deutscher Film: vor Der Schuh des Manitu über einen schwulen Indianer. Auf Netflix wird Otto laut einem Sprecher kaum gesehen und fällt aus Lizenzgründen Ende Juli raus. (Michael Wurmitzer, 23.7.2020)