Eine der gratis abrufbaren Zeitschriften: Austrian Labor Information, ein "Anti-Hitler-Magazine".

ÖNB/ANNO

Es ist ein Schatz für alle historisch Interessierten, der nicht genug gelobt werden kann: Vor 17 Jahren begann die Österreichische Nationalbibliothek mit ihrem digitalen Lesesaal "Austrian Newspapers Online" (Anno); damals noch im kleinen Rahmen mit 15 online zugänglichen Zeitschriften. Mittlerweile sind nicht nur über 20 Millionen Seiten dazugekommen. Seit rund fünf Jahren sind die meisten der mehr als 1.400 eingescannten Zeitungen und Zeitschriften als Volltext durchsuchbar, was die Möglichkeiten historiografischer Recherchen noch einmal auf ein neues Niveau hob.

Kein Wunder, das täglich rund 4.000 Menschen aus aller Welt dieses ziemlich einzigartige Angebot nützen, das nun noch einmal erweitert wurde: Die Österreichische Nationalbibliothek hat zuletzt 30 Exilzeitungen und -zeitschriften aus den Jahren 1938 bis 1945 digitalisiert – von der "Arbeiter Zeitung" über "Der Sozialist" und "Die Nation" bis zum "Österrikiska Informationer". Diese unter großen Schwierigkeiten publizierten österreichischen Medien einen direkten Einblick in die Zeit zwischen dem "Anschluss" Österreichs an Nazi-Deutschland und dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Geschichte der Exilpresse

Unmittelbar mit dem "Anschluss" an Deutschland im März 1938 wurden Presse, Rundfunk und Wochenschauen zu den wichtigsten Propagandainstrumenten der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich. Die Medien wurden arisiert und gleichgeschaltet, sämtliche Publikationen der NS-Doktrin unterworfen und durch ein System von schriftlichen Anweisungen kontrolliert. Viele österreichische Journalistinnen und Journalisten verloren so ihren Beruf, mussten flüchten oder wurden inhaftiert und in Konzentrationslager gesperrt.

Pressezensur, Verbote von Zeitungen und Vertreibung ins Exil hat es freilich bereits unter dem Austrofaschismus gegeben: Bereits 1933 hatten österreichische Sozialdemokraten und Kommunisten nach dem Verbot ihrer Parteien durch das Dollfußregime aus Österreich fliehen müssen. Die Sozialdemokraten publizierten daraufhin ihre Zeitungen und Zeitschriften, allen voran die "Arbeiter Zeitung", in verschiedenen kleinen Druckereien in der Tschechoslowakei, später in Frankreich, in London, in New York und in Lateinamerika.

Gegengewicht zur NS-Propaganda

Insgesamt sind etwa 450 Zeitungen und Zeitschriften zwischen 1933 und 1945 von deutschen und österreichischen Emigranten in ihren Zufluchtsländern publiziert worden. Der Anteil der österreichischen Presse ist dabei nicht immer einfach zu identifizieren, Tatsache ist aber, dass diese Exilpresse das einzige mediale Gegengewicht zur NS-Propaganda zwischen 1938 und 1945 schuf.

Alle diese Medien sind mit Angaben zum Erscheinungsverlauf, Erscheinungsort und weiteren relevanten Informationen – wie etwa dem Wechsel des Titels – versehen. Eine Suche ist sowohl über die Volltextsuche als auch über einen thematischen Einstieg unter dem Begriff "Exilpresse" möglich. Insgesamt stehen damit über 33.500 Seiten zur Verfügung. Mehr als 27.000 Seiten stammen aus dem "Tagebuch", über 3.000 Seiten aus der "Arbeiter Zeitung". (red, 26.7.2020)