Im Flammenmeer starben 113 Menschen. Von dem Crash erholte sich das britisch-französische Überschallabenteuer nie.

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Der Absturz der Concorde machte Geschichte: Er forderte 113 Menschenleben und bedeutete auch den Todesstoß für ein legendäres Kapitel der zivilen Luftfahrt. Die Umstände waren dramatisch: Das schnellste Zivilflugzeug der Welt crashte sehr langsam, fast in Zeitlupe.

An jenem 25. Juli 2000 startete die Air-France-Maschine nachmittags in Paris zu einem dreistündigen Flug nach New York. Wahrscheinlich wegen eines Metallteils, das ein vorhergehendes Flugzeug auf der Startpiste verloren hatte, platzte ein Concorde-Reifen. Das vier Kilo schwere Hartgummiteil schlug in die linke Tragfläche, und das entweichende Kerosin entzündete sich im Kontakt mit dem Düsentriebwerk.

Dramatische letzte Minuten

Die Maschine war schon zu schnell, um noch zu bremsen. Der Pilot Christian Marty musste sie hochziehen – aber auf 60 Metern die beiden linken Motoren stoppen. Mit gesenkter Nase verlor der weiße Supervogel an Höhe, mit langem Feuerschweif überflog er noch die Weizenfelder westlich des Flughafens Roissy.

Was im Passagierraum vor sich ging, ist nicht bekannt. Der Bordkommandant versuchte diverse Manöver. Eine Minute und 46 Sekunden später – eine Ewigkeit – meldete er sich zum letzten Mal mit den Worten: "Zu spät, keine Zeit mehr." Elf Sekunden später stürzte die Concorde in ein fast leeres Hotel. Im Flammeninferno starben vier Hotelgäste und alle 109 Concorde-Insassen, darunter 96 Deutsche aus Mönchengladbach.

Weitere Pannen

Am Ende war damit auch das britisch-französische Überschallabenteuer. Es erholte sich nie mehr von dem furchtbaren Crash. 2003 stellten British Airways und Air France den Betrieb endgültig ein. Zwei letzte Pannen hatten gezeigt: Das vielleicht spektakulärste Zivilflugzeug aller Zeiten, das seinen Jungfernflug 1969 absolviert hatte, war nicht mehr gemacht für das 21. Jahrhundert.

2010 fand noch der Prozess zur Absturzursache statt. Ein Pariser Gericht verurteilte die US-Airline Continental, weil sie eine unsachgemäß verleimte Lamelle auf der Startpiste verloren hatte. Ihre Anwälte zitierten erfolglos Zeugen, laut denen das Unglücksflugzeug 700 Meter zuvor gebrannt habe. Sie belegten zudem, dass Concorde-Reifen schon bei fünf früheren Take-offs geplatzt waren.

Retourkutsche gegen die Amerikaner

Da die Hinterbliebenen schon zuvor insgesamt 170 Millionen Euro erhalten hatten, blieb es folgenlos. Viele sahen darin eine Retourkutsche gegen die Amerikaner. Sie hatten die Concorde auf Druck der Luftfahrts- und Rüstungslobby um Boeing stets benachteiligt. So untersagten sie aus Lärmgründen kommerzielle Überschallflüge auf US-Gebiet; der Deltaflügler konnte deshalb nur über dem Atlantik seine Spitzengeschwindigkeit von 2200 km/h entwickeln.

Das war nicht der einzige Grund dafür, dass die elegante Concorde nie rentabel war. Daran ändert auch die enge Bestuhlung in dem "fliegenden Bleistift" nichts. Noch weniger die spritverschlingenden Triebwerke. Ihre Nachbrenner erreichten 120 Dezibel – abgesehen vom bombengleichen Überschallknall. Der war im Flugzeug selbst nicht zu hören. Dafür klirrten bei Flughafenanwohnern die Gläser im Geschirrschrank.

Lärmbolzen und Spritfresser

Trotz allem ist der Traum vom schnellen Fliegen mit dem Concorde-Crash nicht gestorben. Immer wieder werden Überschallprojekte präsentiert – in den letzten Jahren sogar gehäuft. Das amerikanische Start-up Boom will im Herbst ein Eins-zu-drei-Modell eines Überschalljets "Overture" für 55 Passagiere starten lassen.

Das stimmt Experten skeptisch. Zu viele groß angekündigte Projekte versandeten über die Jahre. Wer erinnert sich noch, dass Boeing dem Airbus-Großflieger A380 mit dem pfeilschnellen "Supersonic"-Flieger Paroli bieten wollte?

Die beiden technischen Hauptprobleme der Concorde – Lärm und Spritverbrauch – bleiben ungelöst. Der US-Konzern Lockheed Martin und die Raumfahrtbehörde Nasa wollen 2021 ein Testmodell ihres "QueSST" (Quiet Supersonic Transport) fliegen lassen, das sogar den Überschallknall vermeiden soll. Ob die Endversion jemals Europa in viereinhalb Stunden mit Australien verbinden kann, steht aber in den Sternen.

Denn das Geschäftsmodell klemmt auch 17 Jahre nach dem Concorde-Ende. Wer schon mehrere tausend Dollar hinblättert, um in weniger als drei Stunden von London nach New York zu reisen, verlangt Platz und Komfort; in einem Großraumflugzeug rechnet sich das aber nicht.

Lockheed plant deshalb auch einen Überschallbusinessjet namens Aerion. Er bietet nur zwölf Passagieren Platz, diese sind nicht an Flugpläne gebunden. 50 Bestellungen sollen schon eingegangen sein. Diese pfeilschnellen Kleinflugzeuge stehen jedoch, was den CO2-Ausstoß pro Kopf betrifft, völlig quer zur Klimadebatte. Egal wie entwickelt seine Triebwerke sind – ein Überschallflieger frisst Sprit. Laut dem Internationalen Rat für sauberen Verkehr verschlingt er davon pro Passagierkilometer sechsmal so viel wie ein herkömmliches Flugzeug. (Stefan Brändle, 24.7.2020)