Die Regierungsmitglieder verkündeten Pläne, die noch gar nicht in Paragrafenform gegossen waren.

Foto: Robert Newald

Dass Bundeskanzler Sebastian Kurz von der gleichnamigen Liste so hohe Beliebtheitswerte in der Bevölkerung hat, liegt nicht nur an seinem adretten Äußeren. Er gilt in Teilen der Bevölkerung auch als "Macher"; und jung-dynamische Change-Manager sind ja seit Jahren auch in der Privatwirtschaft en vogue. Dumm halt nur, wenn hinter dem Image mehr Schein als Fachkenntnis und mehr Message-Control als durchdachter Plan stecken.

Jüngstes Beispiel sind die Novellen der Verordnungen, die die Ausbreitung des Covid-19-Erregers eindämmen sollen. Bereits vor einer Woche zeichnete sich ab, dass der Mund-Nasen-Schutz auch außerhalb von Zug und Apotheke wieder zur Pflicht werden wird. Am Montag sollten die Maßnahmen verkündet werden. Leider hing Kurz in Brüssel fest. Und ebenso leider ist es in diesem Land offenbar zu einem Ding der Unmöglichkeit geworden, dass die Novelle einer Verordnung ohne Bundeskanzler der Öffentlichkeit präsentiert werden kann.

Darüber könnte man vielleicht noch hinwegsehen, wenn sich nicht das ermüdende Spiel der vergangenen Wochen wiederholt hätte: Die Regierungsmitglieder verkündeten nämlich Pläne, die noch gar nicht in Paragrafenform gegossen waren. Die Ausweitung der Maskenpflicht, die mit Freitag in Kraft tritt, wurde erst Mittwochabend veröffentlicht. Und enthielt ein paar Punkte, von denen in der Pressekonferenz keine Rede gewesen ist – beispielsweise, dass auch in der Bäckerei oder im Tankstellenshop Mund und Nase wieder bedeckt werden müssen.

Sie alle hängen in der Luft

Noch schlimmer ist die Situation bei der zweiten Neuerung. Wer aus einem "Risikogebiet" nach Österreich kommt, muss einen negativen PCR-Test vorlegen, der nicht älter als 72 Stunden sein darf und von einem zertifizierten Labor stammen muss. Zehn Stunden bevor die Regelung in Kraft treten sollte, war von einer Verordnung, in der geregelt ist, was ein zertifiziertes Labor oder Risikogebiete eigentlich sind, noch keine Spur zu sehen. Siebeneinhalb Stunden davor dann die Meldung, dass die Regelung verschoben wird.

Eine derart schlechte Koordination ist für Betroffene schlicht unzumutbar. Egal ob es sich um Österreicher handelt, die die Strände von Montenegro genossen haben, oder um Kosovarinnen, die Verwandte in Wien besuchen wollen – sie alle hängen in der Luft, da sie nicht wissen, was sie benötigen, um die Grenze passieren zu dürfen. Das Versprechen, dass österreichische Staatsbürger und ständig im Land lebende Ausländer den Test in Ausnahmefällen auch hier nachholen können, ist nett. Aber ohne Verordnung halt auch wenig wert.

Wenn man im Gesundheitsministerium von Rudolf Anschober ohnehin bereits einen Tag länger Zeit hatte – warum braucht man dort dann dennoch bis zur letzten Minute, um einen fertigen Gesetzestext vorzulegen? Beziehungsweise: Warum setzt man sich nicht gleich eine realistische Frist und gibt den Betroffenen damit Gelegenheit, sich vorzubereiten?

Der Vorstoß von Neos-Klubchef Nikolaus Scherak, auch "einschneidende Verordnungen" – so wie geplante Gesetze – einer öffentlichen Begutachtung zu unterziehen, hat durchaus etwas für sich. Es ist ehrlich keine Schande, wenn man nachdenkt und ein wenig diskutiert, bevor man in den Alltag der Menschen eingreift.

Aber gut, das coole Macher-Image wäre dann vielleicht weg. (Michael Möseneder, 23.7.2020)